Mineralölpreise

Landwirte machten ihrem Frust Luft

Auf Sachsens Autobahnen wurden am 15. September für zwei Stunden durch Landwirte mehrere Zufahrten blockiert, unter anderem auch in Radeburg und Thiendorf. In Radeburg mußten nach Belehrung durch den Leiter des Polizeipostens Radeburg, Joachim Matuszek , die Traktoren die Autobahnzufahrt wieder verlassen und zumindest eine Notdurchfahrt ermöglichen. Nach deutschem Demonstrationsrecht kann der Verkehrsfluß zwar eingeschränkt werden, darf aber nicht zum Erliegen kommen, denn dann ist der Tatbestand der Nötigung erfüllt. Dieser kann mit empfindlichen Geldstrafen oder bis zu drei Jahren Haft geahndet werden.
Der Zwischenfall mit der Polizei hätte jedoch vermieden werden können, wenn die Vertreter des Regionalbauernverbandes Elbe/Röder e.V. hier vor Ort gewesen wären und die Demonstration entsprechend Recht und Gesetz organisiert hätten.
"Aber die sitzen in ihrem Büro und lachen sich über uns kaputt," erboste sich einer der zehn Traktoristen, die an der Blockade teilnahmen.
Bei den fast ausschließlich aus dem Kreis Riesa-Großenhain kommenden Landwirten hatte sich jede Menge Frust aufgestaut.
"Die Demokratie in diesem Staat kannst du vergessen, das ist doch keine Demokratie," schimpfte einer der Landwirte. "Die da oben, die nehmen sich immer mehr Geld und machen Urlaub auf Teneriffa, während wir in der Sommerhitze malochen müssen! Die Ernte war schon Sch... dieses Jahr - und jetzt auch noch die Dieselpreise! Denen ist doch egal, wo wir bleiben, Hauptsache, wir machen keinen Ärger."
"Wir sollen wegen Nötigung in den Knast," schimpfte der Landwirt weiter, "aber wenn Du mal was hast - wenn sie dich bemausen und Du erstattest Anzeige, dann kommt nach einem halben Jahr ein Schreiben - das Verfahren ist eingestellt wegen fehlendem öffentlichen Interesse - was ist denn das für eine Gerechtigkeit?"
Umwelt- und Landwirtschaftsminister Steffen Flath stellte sich mit einer Presseerklärung auf die Seite der Landwirte: "Ich kann den Zorn der Bauern und Gärtner wegen der hohen Diesel-, Benzin- und Heizölpreise verstehen", so Flath und wies auf die gravierenden Wettbewerbsnachteile für die deutschen Landwirte innerhalb der Europäischen Union hin. Da z.B. die französischen Landwirte ihren Dieselverbrauch steuerlich geltend machen können, müssen deutsche Bauern für den Liter Diesel in Netto etwa das Doppelte zahlen wie ihre französischen Kollegen.
Insgesamt blieb die Resonanz auf die sachsenweite Aktion verhalten. Es nahmen nur einige hundert Bauern teil, einige Tausend wurden von den Organisatoren erwartet. Wohl ein Indiz dafür, daß kaum jemand daran glaubt, daß sich dadurch an den preisen etwas ändern wird (siehe Kommentar).


Kommentar

Wer ist Schuld am Spritpreis?

Theoretisch könnte man den Tatbestand der Nötigung auch bei den derzeitigen Kraftstoffpreisen als erfüllt ansehen, denn viele sind gezwungen, den teuren Kraftstoff abzunehmen. Aber gegen wen wäre Klage zu erheben?
- Die Erhöhung der Mineralölsteuer und die Einführung der Ökosteuer hat die Bundesregierung zu verantworten. Das Steueraufkommen ist aber trotzdem nur europäischer Durchschnitt. Der Steueranteil ist in acht (reichen) europäischen Ländern trotzdem noch viel höher. Das die Opposition und diverse Lobbyisten die Situation zu ihrem Vorteil nutzen wollen, ist in Deutschland leider normal, hat aber mit Sachlichkeit wenig zu tun. Die SPD hat es damals in der Oppositionsrolle nichts anderes gemacht. Unter Kohl sind die Abgaben der Kraftfahrer mit 49 Pf/l fast verdoppelt, unter Schröder sollen es bis 2003 weitere 39 Pf werden (bisher erst 14 Pf).
- Die rapide Rohölpreiserhöhung (30 Dollar pro Barrel) geht auf das Konto der Erdölexporteure und der Ölmultis. Bei ihrem Bestreben, das Mineralölaufkommen zu verringern, treffen sie allerdings auf die Zustimmung von Experten. Es wagt zwar kaum jemand, der wieder gewählt werden will, sie zu zitieren, aber wenn wir weiter so Gas geben wie bisher, sind die gesamten bekannten Erölvorräte der Erde in der Mitte dieses Jahrhunderts aufgebraucht. Bei den gegenwärtigen Preisverhältnissen sind alternative Antriebsmethoden (z.B. Brennstoffzelle) oder Treibstoffe (z.B. Raps) jedoch auf lange Sicht nicht konkurrenzfähig. Es sei denn, daß Kraftsstoff noch deutlich teurer wird.
- Rohöl wird auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelt. Die ohnehin schon explosive Mischung aus Rohpreis und Steuer wird nun vom schwachen Euro entzündet. Wir müssen immer mehr Euros für die Dollars berappen, ehe wir das schon auf Dollarbasis immer teurer werdende Öl kaufen können.
Der Euro mag im Zuge der Globalisierung auf lange Sicht sicher einer richtige Entscheidung sein, kurzfristig fehlt aber das Vertrauen der Weltmärkte in ihn. Nun kommen also auch die Eurogegner auf den Plan und sagen: das haben wir Euch alles prophezeit!" Fakt ist aber: Mitte der neunziger Jahre war die DM schon mal "weicher" als es der Euro jetzt ist.
- Die ökologische Steuerreform war ein Wahlversprechen von Rot-Grün. Eine Mehrheit in Deutschland hat sie gewählt und nun ist sie da. "Allein ein Verzicht auf die Ökosteuer würde rund 500 000 Jobs kosten," so teilte jüngst das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) mit, denn die Einnahmen aus der Ökosteuer halten Rentenversicherungsbeiträge und damit Lohnnebenkosten gering, was rechnerisch zwischen den Jahren 2000 und 2005 einen Zuwachs an 100 000 neuen Jobs bringt.
- Fazit: Ein ehrliches Wort, das uns kaum jemand sagt, ist: wir haben noch längst nicht die höchten Preise gesehen.
Alle müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen. Die Regierung muß den Landwirten auf dem Steuerweg Chancengleichheit gegenüber ihren ausländischen Kollegen verschaffen. Sie müßte mit der Ökosteuer antizyklisch agieren, ähnlich wie die Zentralbank mit den Leitzinsen, um Marktschwankungen im Ölpreis abzufedern. Außerdem müßte sie endlich ihr Wahlversprechen einlösen und die verbrauchsunabhängige Entfernungspauschale einführen, um sparsamen Kraftstoffverbrauch oder alternative Verkehrsmittel zu belohnen.
- AlternativeRaps? Die Landwirte können aber auch das Ihre tun. Viele wissen nicht, daß ein Dieselmotor mit Biodiesel (auf Raps-Basis) genauso gut zu fahren ist wie mit "Erdöl-Diesel". Biodiesel-Tankstellen sollten bevorzugt angefahren werden, damit dies ein lukrativer Markt wird und bald jede Tankstelle ihre "Raps-Zapfsäule" hat. Biodiesel ist von Wechselkursschwankungen unabhängig, weil er auch in Europa produziert werden kann - zudem von den Landwirten selbst! Außerdem wäre man auf unabsehbare Zeit konkurrenzlos, denn selbst wenn auf allen landwirtschaftlichen Flächen Deutschlands Raps angebaut würde, könnte der derzeitige Bedarf an Kraftstoffen nicht einmal zu 10% gedeckt werden. Auch muß rein volkswirtschaftlich bedacht werden, daß auf Biodiesel keine Mineralölsteuer erhoben wird, so daß der Staat aus Interesse an der Steuereinnahme den schnellen Ausbau des Biodieselnetzes kaum ernsthaft fördern wird.
Einziger Biodieselanbieter in der Region ist derzeit Max Menzel Brennstoffmineralölhandel in 01458 Ottendorf-Okrilla, Königsbrücker Str. 37, Tel. 035205/73364, Fax 035205/54408. Die Firma Menzel ist Montag bis Donnerstag 6.30 - 18.00 Uhr, Freitag Fr. 6.30 - 16.00 Uhr und Samstag 9.00 - 12.00 Uhr geöffnet. Der Biodiesel kostet bei Menzels derzeit 1,48 DM.
Ein Verzeichnis aller ca. 800 deutschen Biodieseltankstellen finden Sie hier.

weitere Quellen:

ARD-Themenarchiv "Spritpreise"
Sündenfälle - die Ökosteuer und die Wortakrobatik (ein Beitrag der Bericht-aus-Berlin-Redaktion)
für Real-Player-Besitzer "Die Ökosteuer und die Wortakrobatik" als Video
"An eigene Nase Fassen" - Beitrag aus der SZ-Großenhain

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