Dienstag, den 25. September 2012 15:55 Alter: 7 Jahr(e)

Neuseeländer entdecken die Großenhainer Pflege

Kategorie: Dresdener Land und Umgebung, Radeburg und Umgebung

VON: K. KROEMKE

"Wenn Neuseeländer nach Deutschland kommen, dann haben sie dafür zwei Motive," erklärt Tourführer Peter Macky vom Reiseveranstalter Easy Cycling Tours: "family and old history." Für den Part "Old Histrory" macht sein neuseeländisches Reisebüro Angebote – unter anderem eben eine Radtour von Berlin nach Dresden. Die kürzeste Verbindung, die man ganz leicht bei Google-Maps dadurch finden kann, dass man Brandenburger Tor und Frauenkirche als Endpunkt eingibt und dann die Option "Fußweg" wählt. Dieser führt geradewegs durch die Großenhainer Pflege und direkt durch den Schlosspark in Moritzburg.

In der Stange Mühle in Brößnitz machten die Neuseeländer Station
In der Stange Mühle in Brößnitz machten die Neuseeländer Station

Glück gehabt: Kienmüller Noack war zufällig anwesend, als die Kiwis kamen - das Foto stammt vom Mühlentag
Glück gehabt: Kienmüller Noack war zufällig anwesend, als die Kiwis kamen - das Foto stammt vom Mühlentag

Die sächsische Grenze überschritten die zehn "Kiwis", wie sie sich selbst nennen, am Freitag, dem 20. Juli, und nahmen in der Stange-Mühle in Brößnitz, bei Christina Klausch, Quartier.

Letztere hatte das "Heidebogen-Team" mit eingeladen, "ohne das aus der alten Mühle niemals ihre Pension hätte werden können, in der ich nun sogar Neuseeländer beherbergen kann," wie sie den Gästen erklärte.

Frau Klausch konnte an dem Abend den Neuseeländern von ihrem Schicksal und dem der Stange-Mühle erzählen. Eine deutsch-deutsche Geschichte über Krieg, Enteignung, Widerstand, Flucht, Heimkehr und dem schwierigen Wiederaufbau, von ihrer lebenslangen Verpflichtung, die sie kurz nach der Wende in Form eines Versprechens am Sterbebett ihrer Mutter einging, die zu ihr sagte: "Kümmere Dich um Brößnitz".

Als ich bei der weiteren Tourplanung Peter Macky im wörtlichen Sinn in die Karten schaute, stellte ich fest, dass sein Weg – geradewegs über Moritzburg – vieles Sehenswerte in der Großenhainer Pflege rechts und links liegen ließ und bis wilder Mann auf der viel befahrenen Staatsstraße. Ich bot spontan an: "Ich kann Euch eine Strecke zeigen, die ist more flatt. Eure ist ziemlich hilly."

"Oh yes!" freuten sich die Reisenden vom anderen Ende unseres Planeten, die zu Hause aufgrund der steilen Topographie wenig Rad fahren und die sich vielleicht an der in der Karte eher flach aussehenden Landschaft etwas verschätzt hatten.

So brachen wir am nächsten Morgen gemeinsam auf. Zunächst mussten wir natürlich erst einmal bergan aus dem Tränkenbachtal hinaus. Ich erklärte ihnen, dass dies kein Berg sei, sondern wir lediglich in einem Tal seien.

Erstes Etappenziel war Schloss Schönfeld – meinte ich. Aber die Radler zückten schon Ausgangs des Raschützwaldes ob der Aussicht auf Dresden, die Sächsische Schweiz und das Erzgebirge die Kameras. Dann begeisterten sie sich kolossal an den "Back Jards" in Schönfeld - den Mehrseithöfen und den in und an den Scheunen abgestellten alten Landmaschinen.

Anschließend – it's so amazing! - bewunderten sie Schönfelder Schloss. Den Renaissancebau aus dem 15. Jahrhundert. Old history in einer Tiefe, die Neuseeland – erst 1835 eine Nation – in der Form nicht vorzuweisen hat. Leider war eine Besichtigung nicht möglich, da gerade eine Hochzeit stattfand. Sehr schade. Dafür besuchten wir anschließend in Thiendorf die Kienmühle. Eckhard Noack war erfreulicherweise anwesend und als er realisierte, was für erstaunlichen Besuch er da unerwartet hatte, war er natürlich auch bereit, die Mühle aufzuschließen.

Die Mühle war zwar nicht so alt wie das Schloss, in Neuseeland hat man aber alte Mühlen nicht restauriert. 1992, so konnte ich erfahren, wurde die Müllerei in Neuseeland gänzlich aufgegeben, so das auch die Führung durch die alte, im Zustand der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts restaurierte Wassermühle für die Kiwis "really very interesting" war.

Auf dem Großteichdamm durchquerten wir anschließend das NSG Zschornaer Teichgebiet. "It's so beautiful. We had never seen such a lovely landscape!" Unsere Antipoden begeisterte das Vogelschutz-Brevier mindestens ebenso, wie uns wohl die schroffe, steile Felslandschaft Neuseelands in Verzückung versetzen würde. Die Begeisterung riss mich förmlich mit und obwohl ich bis dato schon meinte, dass unsere Landschaft hier sehr unterschätzt wird, fand ich jetzt selbst, dass ich sie immer noch unterschätze.

Vorbei ging es an den durch ihren angeblich nicht vorhandenen "Duft" sich bemerkbar machenden Hühnerställen einerseits und am Lärm der Autobahn andererseits, während mir die Neuseeländer vorschwärmten, wie rücksichtsvoll "in Deutschland die Autofahrer gegenüber den Radfahrern sind. In Neuseeland wird man als Radfahrer gar nicht gesehen." Der Nutzen, sich mit ausländischen Gästen zu unterhalten, liegt auch manchmal darin, die eigene Wahrnehmung etwas zu korrigieren. Meine ist, das Rad- und Autofahrer sich schon recht oft unangenehm in die Quere kommen – aber eigentlich ist richtiger Ärger, mal ehrlich, im Verhältnis zum gesamten Verkehrsaufkommen eher selten.

In Radeburg waren die Aliens dann schon ziemlich "platt" und hatten Hunger und Durst. Mittag war in Moritzburg eingeplant. "Wie weit ist es noch?" Fragten sie. Ich sagte, 7 Kilometer. Das glaubten sie nicht. "Immer wenn sie Peter während der Tour gefragt haben, wie weit es noch ist, sagte er 7 Kilometer." Wir fuhren von der Waldrose aus Richtung Stausee und dann – it's not a hill, it's a bridge only – über die Autbahnbrücke. Ich wollte ihnen nun nicht noch die Durchquerung der Senke an der Herrenmühle zumuten und entschied mich, den Tampelpfad von der Kellercrew am Wehr vorbei bis zum Badergarten zu nehmen. Die Familie Robert Ritter war gerade in ihrem Garten zugange und ich fragte – aus Spaß – ob er was zu Trinken dabei hätte. Er spendete den durstigen Fremdlingen den halben Kasten Bier, den er zufällig tatsächlich in der Laube hatte. Geld nahm er dafür nicht an, womit die Neuseeländer nun endgültig deutsche Gastfreundschaft zu schätzen wussten.

Nach Überquerung des old histrory Marktes und Erklärung der mittelalterlichen Stadtanlage ging es aus unserer beautiful little old town hinaus in Richtung Bahnhof. Leider konnte ich ihnen keinen very old Steam Train, as old as New Zealand, zeigen, aber ich schlug Peter vor, bei der nächsten Tour im kommenden Jahr die Bahn zu nehmen und von Radebeul Ost das letzte Stück bis zur Frauenkirche den Elberadweg zu nehmen.

Wir fuhren in Berbisdorf durch den Schlosspark, am "kleinen Schloss Moritzburg" vorbei, ich schilderte das traurige Schicksal dieses Schlosses, das in Sachsen leider viele andere Schlösser teilen. Weiter ging es über den „so wonderful“ Dammweg, den schon Karl Timmler gemalt hat und den kein Autofahrer zu sehen bekommt, Richtung Moritzburg.

Über die Mauerwiese, vorbei am Wildgehege, leider keine Zeit mehr, fuhren wir durch das Blaue Tor zum Fasanengarten, wo sich die Familie Leuenberger freute, gerade frische Steaks auf dem Grill zu haben, aber jeder Neuseeländer mochte lieber native food – Bratwurst und Kartoffelsalat. Endlich die verdiente Mittagspause. Two German sausages please!

Den Fasanengarten fanden sie nun erst recht unglaublich. Einen Teich mit Leuchtturm hatten sie noch nie gesehen und der Zweck wollte ihnen nicht wirklich einleuchten. Just for fun? Really? Nicht glauben wollten sie, dass hier einst, in augusteischer Zeit, im Barock, eine ganze Landschaft künstlich angelegt wurde, nur um Vergnügen für die Fürsten zu schaffen.

Natürlich war das Jagdschloss dann der absolute Höhepunkt der Tour – bis da hin. Leider drängte nun auch die Zeit, denn aus 45 Kilometern hatte ich – flat but a bit longer – 55 Kilometer gemacht. Peter versicherte den Teilnehmern, dass sie morgen in Dresden noch viele Schlösser sehen werden. Wir fuhren weiter auf der Schlossallee bis zum Käte-Kollwitz-Platz und von da über die alte Dresdner Straße weiter, wo noch die Unwetterschäden sichtbar waren. Das es hier so was gibt fanden sie auch unbelievable. Dresden erreichten wir direkt am Werk von Global Foundies. Herzlich willkommen. Industrie haben wir hier auch. Nun musste ein letzter kleiner Anstieg durch das lovely Wilschdorf (Sorry, all the ways to Dresden are going over that wall) genommen werden, aber dann ging es per Schussfahrt am Waldmax vorbei in Richtung Wilder Mann und ich lieferte die Freunde schließlich, wie vereinbart, an der Straßenbahn-Endhaltestelle ab.

Händeschütteln und viele Dankesworte für die Führung, obwohl ich kaum was dazu kann. Ich habe ja das schöne Land nicht gemacht, ich hab es nur gezeigt und bin jetzt immer noch erstaunt, was für eine Begeisterung unser Landstich ausgelöst hat. Man schätzt wirklich zu wenig was man hat. Am interessantesten aber fand Peter Macky am Ende meine "definition of flat".

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