Samstag, den 22. August 2009 16:02 Alter: 10 Jahr(e)

Stadtrat Radeburg: 15:4 für die nächsten vier Jahre?

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: KLAUS KROEMKE

„Bisher war es so, daß die Interessen Radeburgs über den Interessen der Parteien stand. Wer hier große Politik machen will, ist hier Fehl am Platz. Bürger sind da, die Presse ist da. Was machen wir für einen Eindruck, wenn wir hier gleich mit solchem Gezänk anfangen?“ faßte der fraktionslose Stadtrat Christian Creutz seinen ersten Eindruck vom neuen Stadtrat zusammen.

Mit Spannung war der erste Auftritt der Unabhängigen Liste Radeburg (ULR) erwartet worden. Da sich die ULR aus vier Parlamentariern zusammensetzt, die bereits seit Jahren im Stadtrat vertreten sind, aber in ihren bisherigen Fraktionen (3 CDU, 1 SPD) sich offenbar in ihren Wirkungsmöglichkeiten beschränkt sahen, hatten ihre Wähler nun vor allem "frischen Wind" erwartet, ein Ausbrechen aus jahrelanger Routine, neue Ideen und Impulse für die Stadt.

Doch die ersten zehn Sätze der ULR waren dann erst einmal ein Blick in die Vergangenheit.

Gleich zu Beginn forderte Stadtrat Christfried Herklotz den neuen Stadtrat der Linken, Jürgen Rohwer, auf, sein Mandat niederzulegen. „Ich spreche im Namen der Opfer der Stasi. Der Respekt vor deren Leid und Entbehrungen der Opfer gebietet, daß Sie als ehemaliger hauptamtlicher Stasimitarbeiter ihr Mandat niederlegen und dem nächsten in der Wahlliste ihren Platz überlassen."

Rohwer, der vom letzten Listenplatz der Linken ins Wahlrennen gestartet war, kam für viele doch ziemlich überraschend auf Platz 2 in der Gunst der Linken-Wähler.

„Wie Sie wissen," verteidigte sich Rohwer, „bin ich mehrmals überprüft worden und habe mich nicht schuldig gemacht. Es gibt einen klaren Wählerauftrag und den bin ich gewillt zu erfüllen."

Rohwer hatte nie einen Hehl aus seiner Stasi-Tätigkeit gemacht. Ganz im Sinne der Forderung der Wendebewegung „Stasi in die Produktion!" arbeitete er seit 1990 als einfacher kommunaler Bauhof-Arbeiter - 17 Jahre, also in der Sprache des Strafrechts „lebenslänglich". Damit hat er offenbar auch den Respekt vieler Mitbürger gewonnen. Der hohe Stimmanteil gerade aus seinem Heimatdorf Berbisdorf scheint das zu unterstreichen.

„Was guckst Du mich so an?" entrüstete sich Christian Damme (CDU) über die Blicke seines ehemaligen Fraktionskollegen Herklotz. Christian Damme war in der Vergangenheit derjenige, der regelmäßig bei konstituierenden Sitzungen dazu aufforderte, daß sich die Abgeordneten überprüfen lassen. „Du warst doch selber Bürgermeister und hast ihn damals auch nicht entlassen!"

In der Tat hatte Rohwer, der jetzt Rentner ist, seit der Wende zunächst in Berbisdorf und dann in Promnitztal gearbeitet. Bürgermeister von Promnitztal war Christfried Herklotz, der also selbst veranlaßt haben muß, Rohwer zu überprüfen.

Bürgermeister Dieter Jesse jedenfalls ging davon aus: „Wir haben Herrn Rohwer in unseren Bauhof übernommen und nun nicht noch mal überprüft, weil ich davon ausgehen konnte, daß er schon zwei Mal überprüft worden war."

Jesse beendete dann den ersten ULR-Beritt daraufhin mit der Verpflichtung der Stadträte.

Bei der anschließenden Beratung zur Hauptsatzung überraschte die ULR dann mit einer Diskussion über die Größe der drei geplanten Stadtrats-Ausschüsse, obwohl die anderen Abgeordneten davon ausgegangen waren, daß man sich bereits in den stattgefundenen Vorberatungen einig war.

Es sollten alle drei Ausschüsse mit sechs Stadträten besetzt werden.

Die ULR wollte nun, daß die beiden beschließenden Ausschüsse (Verwaltungs- und Technischen Ausschuß) aus vier bzw. acht Mitgliedern und der beratende Ausschuß (Ordnung und Soziales) aus sechs Mitgliedern bestehen. So wollte sie erreichen, daß die gemeinsam agierende CDU/FDP zehn, die ULR vier sowie die SPD und die Linke je zwei Ausschußsitze erhält, „um die Kräfteverhältnisse im Parlament widerzuspiegeln." Doch es war nicht zu übersehen, daß der Schönheitsfehler dieser Mathematik war, daß der freie Wähler Christian Creutz aus den Ausschüssen somit rausgerechnet worden war.

Christian Creutz habe dem auch zugestimmt und als Bürgermeister von Tauscha ohnehin genug zu tun, meinte man von ULR-Seite. Creutz widersprach dieser Darstellung. „Wenn ich gewählt bin und es sich ergibt, dann arbeite ich auch in einem Ausschuß mit."

Stadtrat Michael Ufert (SPD) indes verstand die ganze Aufregung nicht. „Wenn ich drei Ausschüsse haben mit je sechs Stadträten und 18 Abgeordnete, dann kann jeder Abgeordnete in einem Ausschuß mitarbeiten. Dann brauche ich D'Hont nicht, um da Parlament in den Ausschüssen widerzuspiegeln."

Christian Damme ergänzte: „Dazu haben wir extra auf ein uns nach D'Hont zustehendes Mandat verzichtet!"

Daß sie dieses Mandat mehr hätten bestritt dann wiederum Stadtrat Frank Großmann (ULR). Dem widersprach die Verwaltung, die den Schlüssel bereits vorgerechnet hatte. Und so zog das Hickhack den abend in die Länge bis Christian Creutz den oben schon genannten Ausruf tätigte.

Schließlich hätte man sich die Debatte in wesentlichen Teilen auch sparen können, denn abgestimmt wurde am Ende 15: 4 (eischließlich Bürgermeister-Stimme) für den Vorschlag der Verwaltung und 15 : 4 gegen die Vorschläge der ULR, wobei der eine oder andere nachdenkenswerte Änderungsvorschlag der ULR gleich mit „versenkt" wurde.

Die 15:4 wird man sich in Zukunft gleich merken können. Andreas Hübler bestand auf geheimer Wahl der beiden Stellvertreter des Bürgermeisters, nachdem Neu-Stadtrat René Eilke von der CDU-Fraktion seinen Fraktionskollegen Christian Damme, der schon seit der Wende 1. Stellvertreter ist, wieder für dieses Amt vorschlug, überraschte Christan Damme damit, daß er Michael Ufert von der SPD-Konkurrenz für den 2. Stellvertreter vorschlug. Zuletzt war der CDU-abtrünnige Christfried Herklotz 2. Stellvertreter gewesen. Das überraschte dann schon. Die CDU/FDP-Fraktion mit 10 Sitzen hätte dank ihrer absoluten Mehrheit auch den 2. Stellvertreter aus den eigenen Reihen vorschlagen und durchbringen können. Damme griff aber mit seinem Vorschlag eine alte Radeburger Tradition wieder auf, die Stadtinteressen über Parteiinteressen zu setzen, die erst in der letzten Legislaturperiode gekippt wurde. Ufert war zuvor schon viele Jahre 2. Stellvertreter. Die ULR schlug für diesen Posten relativ aussichtslos Frank Großmann vor.

Christian Damme wurde mit „traditionell" einer ungültigen Stimme gewählt, Michael Ufert erhielt 14, Frank Großmann 4 Stimmen. Damit dürften sich Fragen erübrigen, wie wer vermutlich abgestimmt hat.

Danach schritt das Plenum mit der Beratung der Geschäftsordnung für den Stadtrat und seine Ausschüsse fort. Wiederum hatte die ULR einige Änderungsvorschläge anzumerken. Zum Beispiel sollte festgeschrieben werden, daß bei Tischvorlagen - also Unterlagen, die die Räte erst unmittelbar vor der Beratung erhalten - den Abgeordneten genügend Zeit eingeräumt wird, diese zur Kenntnis zu nehmen. Zwar waren sich alle einig, daß auch in der Vergangenheit stets dafür genügend Zeit war, aber trotzdem. Die Geschäftsordnung wurde mit den ULR-Vorschlägen einstimmig angenommen. „Na also, geht doch," hätte man jetzt sagen können. Aber gleich ging der Streit weiter. Offenbar kursierten ganz unterschiedliche Stände der Ausschußbesetzung.

Da die ULR nicht wollte, daß „Rohwer Mitglied des Verwaltungsausschusses wird, in dem auch Personalangelegenheiten behandelt werden", wie Andreas Hübler formulierte, hatte die PDS ihn zurückgezogen und statt dessen für den Ausschuß Ordnung und Soziales vorgeschlagen. Das war Hübler aber nicht bekannt und er beschwerte sich: „Was ist das denn für ein schlechter politischer Stil?"

Da platzte nun wieder Jesse der Kragen: „Schlechter Stil? Sie wollten mir bis gestern Abend Ihre Vorschläge für die Besetzung der Ausschüsse mailen," beschwerte er sich bei Hübler. „Wann haben Sie die geschickt? Heute 11.17 Uhr. Meinen Sie daß ich die dann noch verteilen kann? Es haben nicht alle e-Mail."

Rüdiger Stannek (Linke) machte einen letzten Versuch, die Sache noch quer durch die Stuhlreihen zu bereinigen, aber drang offenbar in dem Durcheinander nicht bis in die letzten Hirnwindungen vor. Eigentlich wäre alles klar gewesen, er trug noch einmal die Ausschußvorschläge vor, auf die man sich vorher geeinigt hatte, aber auch da hatte Andreas Hübler wieder eine Besetzung geändert.

Und dann verwechselte Stannek leider die Listen und trug die falsche vor, so daß dann Christian Creutz einigermaßen entnervt vorschlug, die namentliche Besetzung der Ausschüsse doch zu vertragen. Die Besetzung von Ausschüssen und Vertretungen der Stadt in Verbänden und Aufsichtsräten wurde einstimmig vertagt.

 


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