Montag, den 25. Oktober 2010 23:47 Alter: 9 Jahr(e)

Nachruf: Hier kam Kurt...

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: KLAUS KROEMKE

Hier kommt Kurt - dieser Spruch gehörte zum Radeburger Karneval, wie der Mann, auf den er gemünzt war – 53 närrische Jahreszeiten lang.

Bis zuletzt war es ein eingespieltes Ritual: nachdem der Präsident des Carnevals Clubs am 11.11. vom Bürgermeister den Rathausschlüssel erhielt, bekam der Prinz vom Präsidenten das Zepter und Kurt, der im Jahre 11 des vorigen Jahrhunderts geborene Mann, setze der Prinzessin die Krone auf.

An diesem 11.11. wird das nun nicht mehr so sein, denn Kurt Georg kommt nicht mehr...

Kurt Georg - alterspräsident des RCC
Kurt Georg - alterspräsident des RCC

Kurt Georg 1948 als Afrikaner
Kurt Georg 1948 als Afrikaner

Kurt? Ja, wird man eines Tages sagen, der Vater des Karnevals in Radeburg, bis zuletzt Heinrich-Zille-Darsteller, ältester aktiver Schütze Deutschlands, ältester Angler, Chorsänger, Vereinsmeier vor dem Herrn - Kurt Georg.

Der gelernte Friseurmeister gehörte zum Radeburger „Uradel" und repräsentierte seine Heimatstadt als Ganzes - einschließlich Karneval. Seine Angehörigen respektierten, was ihm wichtig war und legten den Orden vom Bund Deutscher Karneval und seine Narrenkappe mit ins Grab.

Die Welt der Bühne und das Verwandeln der Schauspieler faszinierten ihm seit seiner Lehre. So lag es nahe, dass er sich neben dem Friseurhandwerk auch noch in der Maskenbildnerei versuchte.

Durch den Rennfahrer Hans Levy, dem jüdischen Freund des „Silberpfeil-Piloten" Manfred von Brauchitsch wurde Kurt´s Interesse am Motorrennsport weckte. Nicht die Komödie, nicht die Masken sondern der Motorsport sollten ihn zum Fasching bringen.

Im M.C. Radeburg war es zur Tradition geworden, dass man Fastnacht feierte. Kurt brachte selbstlos seine sämtlichen Talente ein, ohne zu ahnen, was das mal für Folgen haben würde.

Auch in anderen Vereinen - bei den Sängern, bei den Anglern, bei den Keglern... und überall war er auch als Narr dabei. Und weil das noch nicht reichte, war er in der ganzen Gegend unterwegs.

Nach dem am 22. 09. 1934 das Reichskulturgesetz verabschiedet wurde, war erst einmal Schluss mit Lustig.

Kurt überlebte diese Zeit, gründete eine Familie, bekam Kinder und war mit dabei, als sich die Leute auf den Dörfern wieder ein normales Leben zu gestalten versuchten. Die Faschingszeit wurde wieder die Zeit der Maskenbälle und war wieder eine Sache der Vereine. Kurt Georg war als Maskenbildner wieder gefragt und gewann bei den Kostümbällen erste Preise.

Die SED schrieb bei ihrem Maskenball 1948 als 1. Preis ein Pfund Kaffee aus, das Kurt natürlich wollte. Er bastelte sich einen Strohrock, einen Speer und einen Schild, auf den er „Völkerverständigung" schrieb. „Ich wusste, das mochten die Kommunisten". Er verdünnte schwarze Haarfarbe in einer Zinkbadewanne, legte sich hinein und stieg als Neger wieder heraus. Doch vor den Preis hat der Herrgott den Schweiß gesetzt - und der kommunistische auch noch Väterchen Frost: Kurt konnte sich nicht abtrocknen ohne Farbe zu lassen und auch nichts überziehen. Mit dem spärlichen Schurz, Schild und Speer hastete er bei minus 19 Grad durch die weiße Pracht und ihr ahnt es schon - dank der vor Moskau antrainierten Härte und der „Völkerverständigung" gewann er den Kaffee...

Die Maskenbälle wurden wieder zu einer der beliebtesten Formen unter den Tanzsaalveranstaltungen - aber wenn man nur im Lokal närrisch ist und draußen auf der Straße geht das gewöhnliche Leben weiter - da fehlt doch etwas. Richtiger Karneval muss auf die Straße, er muss das ganze Leben der Stadt erfassen.

„Unter der Clownsmaske habe ich am Faschingsdienstag 1957, den Karneval gegründet", reklamierte Kurt Georg die Karnevalsgründung später für sich. Als Gründungsdokument gilt ein maschinengeschriebenes Blatt Papier, auf dem 13 Personen genannt werden, die den ersten Elferrat bilden wollten.

Kurt war zumindest der Katalysator als jener in der Urkunde genannte Clown, der „unter großem Beifallsgebrüll der Narren und Närrinnen Radeburgs" diesen ersten Elferrat zusammenrief und der am 11.11.1957 die erste Karnevalssaison eröffnen sollte.

Kurt Georg wurde zum ersten Präsidenten gewählt und hatte dieses Amt bis 1961 inne. Danach legte er das Amt nieder, weil der alljährliche „Sackgang" mit Ämtern und Behörden, und die immer aufwändigere Routinearbeit nicht Kurts Sache waren.

Nun entfaltete er immer wieder seine närrische Kreativität mit spektakulären Sketchen auf der Bühne, mit Ideen für Umzugswagen und überraschenden Kostümen (teils Marke „Eigenbau", teils geliehen).

Als Heinrich-Zille-Darsteller nahm Kurt Georg u.a. 1987 an der 750-Jahrfeier Berlins, 1989 an der Öffnung der Berliner Mauer und im Oktober 1996 an der feierlichen Enthüllung des Mahnmals zum Gedenken an die deutsche Teilung in München teil. Anschließend wurde er von Bundespräsident Roman Herzog und Bundeskanzler Helmut Kohl empfangen. 1997 wirkte Kurt als Heinrich Zille in dem Film „Der Lößnitzdackel" mit.

Nach der Jahrtausendwende wurde es etwas ruhiger um ihn, trotzdem tauchte er immer wieder zum Karnevalsauftakt am 11.11. auf dem Markt oder zur Entkrönung am Aschermittwoch auf.

„Ein jegliches hat seine Zeit," zitierte Pfarrer Seifert bei der Beerdigung aus der Bibel und „wenn ein Mensch lange Zeit lebt," zitierte er die Puhdys, „sagt die Welt es ist Zeit, dass er geht."

Jetzt wo er weg ist, so hört man, fehlt er. Und er fehlt den Narren.

Nach karnevalistischen Maßstäben wäre Kurt 9 x 11 Jahre alt geworden und hätte im nächsten Jahr, dem Jahr 11 des 2. Jahrtausends, am 11.11. 11 um 11.11 Uhr die 55. Karnevalssaison von Rabu mit eröffnet. Daran sieht man, dass selbst die Lücke, die er hinterlässt, eine närrische ist.

 

Klaus Kroemke

Radeburger Carnevals Club


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