Mittwoch, den 21. März 2012 20:20 Alter: 8 Jahr(e)

Kommt Windkraft zwischen Radeburg und Thiendorf künftig aus dem Wald?

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: KLAUS KROEMKE

Windenergiegewinnung über den Gipfeln der Bäume? Das ist ein Novum. Besorgte Bürger stellen sich die Frage, ob das Rauschen der Windräder die gewohnte Stille durchschneidet, ob Schalldruck und Schlagschatten erst den Schlaf und dann die Gesundheit rauben und ob überhaupt noch jemand sich in der Region erholen will, wenn über ihm die Windräder kreisen und die Aussichten durch 17 und mehr solche Türme verschandelt sind. Wo ist die Lösung zwischen „Energiewende ja, aber nicht bei mir“ und „Irgendwo muss die Energie ja gewonnen werden“?

Das für die Aufstellung von Windrädern angedachte so genannte Vorrangeignungsgebiet (VREG)
Das für die Aufstellung von Windrädern angedachte so genannte Vorrangeignungsgebiet (VREG)

Als Referenzobjekt wurde das weiße Gebäude am ehemaligen Güllebecken vermessen...
Als Referenzobjekt wurde das weiße Gebäude am ehemaligen Güllebecken vermessen...

Über allen Gipfeln ist Ruh, über allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch, dichtete Johann Wolfgang von Goethe vor rund 200 Jahren in „Wanderers Nachtlied“. Ein Gedicht, das der Kleinkuppenlandschaft und dem Gefilde der Großenhainer Pflege auf den Leib geschrieben scheint. Nicht von ungefähr ist im Regionalplan des Planungsverbandes Oberes Elbtal-Osterzgebirge die Region zwischen Radeburg und Thiendorf als Vorranggebiet für Natur und Landschaft ausgewiesen, sind die Orte Radeburg, Schönfeld und Zschorna als regional bedeutsame Schwerpunkte des Erholungs- und Ausflugsverkehrs vorgesehen und im ländlichen Entwicklungskonzept der Region steht als Ziel, die Region für die Naherholungssuchenden aus dem Elbtal zu erschließen.

Nun liegt der Entwurf einer Fortschreibung des Regionalplanes vor, die diese Entwicklungsrichtung in Frage zu stellen scheint, weil ihr zufolge u. a. in der Großenhainer Pflege und in den Königsbrück-Ruhlander Heiden Windkraftanlagen mit einer Gesamtkapazität von 284 GWh pro Jahr entstehen sollen. Zum Vergleich: Der bekannte Windkraftpark in Röhrsdorf östlich von Sacka, bestehend aus vier Windrädern, bringt es auf eine jährliche Gesamtleistung von rund 3,5 GWh. 25 Anlagen könnten bei Stroga nördlich von Großenhain und noch einmal vier nördlich des Gewerbegebietes Thiendorf entstehen – 17 Windräder könnten sich künftig nördlich von Radeburg und südlich von Zschorna, direkt über den Wipfeln der Bäume in der Rödernschen Heide drehen – das ist wahrscheinlich ein Novum.

Um die prognostizierten Leistungen zu erreichen, sind Anlagen mit einer Nabenhöhe von 120 m, einem Rotordurchmesser von 100 m und folglich einer Gesamthöhe von 170 m und einer Jahresleistung von 8 Gwh pro Jahr je Windrad notwendig. Das sind Fernsehturm-Dimensionen. Der weithin sichtbare Dresdner Fernsehturm hat eine Gesamthöhe von 252 m und die Oberkante der Plattform dürfte bei ca. 170 m Höhe liegen.

Besorgte Bürger stellen sich nun die Frage, ob die Entwicklungsausrichtung der Region durch die nach Fukushima vollzogene und vielleicht überstürzte Energiewende eine völlig andere wird, ob das Rauschen der Windräder die gewohnte Stille durchschneidet, ob Schalldruck und Schlagschatten erst den Schlaf und dann die Gesundheit rauben und ob überhaupt noch jemand sich in der Region erholen will, wenn über ihm die Windräder kreisen und die Aussichten durch 17 und mehr Türme verschandelt sind. Was außerdem für Unruhe sorgt ist die Tatsache, dass bereits jetzt, da die Regionalplanungs-Unterlagen nur Entwürfe und den Bürgern noch nicht einmal zugänglich sind, bereits die Versorger wie Heuschrecken in die Dörfer einfallen, um den Waldbesitzern Verträge abzuluchsen, ohne dass sie eigentlich verstehen, worum es geht.

„Auf unsere Flächen kommt jedenfalls kein Windrad“, erklärte Rüdiger Stannek, bei dem „sie auch schon waren“, in der 28. Sitzung des Radeburger Stadtrates am 1. März. Stadtrat Stannek ist Vorsitzender der Agrargenossenschaft Radeburg und Pächter der begehrten Flächen zwischen Waldrose und Campingplatz am Stausee. Heinrich Sachse-Thielsch, Bewohner der Waldschänke in der Rödernschen Heide, hatte in der Bürgerfragestunde an Bürgermeister Dieter Jesse die Frage gerichtet, ob Radeburg die Vorhaben an der Waldrose unterstützt und von Jesse dazu ein klares Nein bekommen.

Ob das Vorpreschen der Anlagenbetreiber unbedacht und voreilig oder einfach dem harten Wettbewerb geschuldet ist, sei erst einmal dahingestellt. Zumindest unglücklich ist, dass nun Positionierung in der einen oder anderen Richtung erfolgen, offensichtlich ohne dass die Bürger von den detailreich vorliegenden Fakten Kenntnis haben. Bereits im Januar wurden die Kommunen über die Planungen informiert um sich zu positionieren, die öffentliche Beteiligung der Bürger soll jedoch erst im April erfolgen, sofern noch in der Märzsitzung des Planungsverbandes dies beschlossen wird. So dass es im Moment auch noch schwierig, sich das notwendige Wissen zu verschaffen.

Doch das Wesentliche ist: zwischen den Extrempositionen „Energiewende ja, aber nicht bei mir“ und „Irgendwo muss die Energie ja gewonnen werden“ liegt die Wahrheit, die nur gefunden werden kann, wenn alle Seiten zu einem sachlichen, ergebnisoffenen Dialog finden. Da ist es dann bedauerlich, wenn man übereinander statt miteinander redet. Die BI Strauch hat den Planungsverband vergangene Woche zu einer Beratung erst ein und dann wieder ausgeladen. „Die Bürger sollen wissen, dass der Planungsverband nicht gegen sie arbeitet, sondern für sie. Wir sind sehr an einem offenen Dialog interessiert und sehr dafür, dass alle Fakten auf den Tisch kommen,“ betont Dr. Heidemarie Russig vom Planungsverband. Nur so können die Bürger erfahren: was hat der Planungsverband für Beweggründe, Windkraftanlagen nun an Standorten zu ermöglichen, die bisher Tabu waren? Reichen nicht schon allein die im Regionalplan ausgewiesenen ornithologischen Argumente aus, jegliche Windkraftnutzung in dem jetzt beanspruchten Gebiet zu untersagen? Die Anlagen liegen nordöstlich der „Zugachse entlang der Röder“, speziell Zschorna ist ein Zugrastgebiet und ein wassergebundener Rastplatz, die Umgebung ist als Zugkorridor für Offenlandarten besonders geschützt. Dazu kommt die Flächenversiegelung an den Anlagen einschließlich Zufahrten und die damit verbundene Reduzierung des Waldbestandes. Die unter europäischem Schutz stehenden Gebiete FFH 150 „Große Röder zwischen Großenhain und Medingen“, FFH 151 Teiche um Zschorna und Kleinnaundorf“), SPA 31 „Mittleres Rödertal“, SPA 32 „Teiche bei Zschorna“, SPA 33 „Moritzburger Kleinkuppenlandschaft“ und SPA 34 „Laußnitzer Heide“ sind betroffen. Vor Beeinträchtigungen zu schützen waren bisher auch Boden, Wasser und Luft, da die Region als Trinkwasserschutzgebiet und als Kaltluftentstehungsgebiet besondere Bedeutung für die Gesundheit nicht nur der unmittelbaren Anwohner, sondern für weite Teile des Elbtals hat. Werden diese Bedenken jetzt einfach bei Seite gewischt?

Ganz so ist es nicht, wie aus dem jetzt der Verbandsversammlung zur Entscheidung über die Durchführung des öffentlichen Beteiligungsverfahrens vorliegenden Entwurf zur Teilfortschreibung „Wind“ des Regionalplanes, dem dazu angefertigten Umweltbericht und den Umweltprüfbögen für die Standorte hervorgeht. Frau Dr. Russig betont, dass die Verbandsversammlungen öffentlich sind. Jeder kann diese Unterlagen einsehen. Die nächste Verbandsversammlung findet am Mittwoch, dem 28.03.2012, 15:00 Uhr im Wasapark-Casino, Wasastraße 50, 01445 Radebeul als öffentliche Sitzung statt. Unabhängig davon, wann der Verband das Papier für so ausgereift hält, dass es zur öffentlichen Anhörung ausgelegt wird, kann auch schon jetzt jeder sachliche Argumente und Gegenargumente vortragen und so an der Fortschreibung des Planes teilnehmen. Folgende Aussagen findet man in der Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse:

  • „Alternative Ausweisungen (von Standorten für Windkraftanlagen – Anm. d. Red.) bei gleichzeitiger Erfüllung der sächsischen Zielstellung zur Windenergienutzung sind möglich, würden aber mit größeren Umweltbeeinträchtigungen verbunden sein;
  • die gewählten VREG (Vorrangeignungsgebiete für... – Anm. d. Red.) Windenergienutzung lassen in der Summe keine erheblichen Umweltauswirkungen erwarten.“ Oder in einfaches Deutsch übersetzt: Da die Frage nicht steht, ob und in welchem Umfang wir Windkraft nutzen, sondern nur wo, sind die gewählten Standorte zwar von Übel, aber an anderen Orten wäre das Übel größer;
  • die Ausweisung der Vorrang- und Eignungsgebiete für Windenergienutzung dient schon selbst der Vermeidung und Verminderung von Umweltbeeinträchtigungen, denn ohne diese Ausweisung könnten die besagten Anlagen praktisch überall gebaut werden.
  • Selbst in der räumlichen Häufung der Standorte ist keine „umwelterhebliche Summenwirkung“ zu sehen, sondern einen Schutz der sonstigen Gebiete.
  • Durch die Ausweisung der VREG werden mit noch festzusetzenden Vermeidungs-, Minderungs-, Schutz- sowie Schadensbegrenzungs- und Rekultivierungsmaßnahmen für jeden einzelnen Standort Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele der Natura 2000 – Gebiete vermieden.

Ob sie ganz auszuschließen sind, wie die Planer annehmen, mögen Fachverbände anders beurteilen. Jedenfalls haben diese sich schon bei einer Vorstellung dieser Pläne in der öffentlichen Verbandsversammlung am 28. Februar entsprechend geäußert. Die Verschlechterung der Waldflächenbilanz und die Flächenneuinanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr werden durch die Planer nicht bestritten, sie werden aber als minimal und hinnehmbar eingeschätzt im Vergleich zum Zuwachs an installierter Leistung durch Nutzung des regenerativen Energieträgers Wind, der die abgeschalteten Atomkraftwerke zu kompensieren hat. Dass die fehlende Energie durch mehr Verbrennung von Kohle kompensiert wird, wie es derzeit der Fall ist, kann auch keine Lösung sein. Zumindest das ist wohl unstrittig.

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