Samstag, den 02. Februar 2013 13:40 Alter: 7 Jahr(e)

Kommentar - Windenergie Planungsverband in der Zwickmühle

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: KLAUS KROEMKE

Da der Regionale Planungsverband für die Errichtung von Windenergieanlagen gerne den Bürgern entgegenkommen und einen Mindestabstand von 1000 Metern festschreiben würde wandte er sich an Umweltminister Peter Altmaier.

Dieser teilte dem Verband auf Anfrage mit, dass ab 300 Meter Abstand wissenschaftlich kein Einfluss von Windrädern auf das Gleichgewichtsorgan nachweisbar sei - zwischen 100 und 250 Metern liege die Geräuschbelastung außerdem deutlich unter der menschlichen Hörschwelle. Damit stellte er klar, dass Bauanträge zu Windanlagen ab einem Abstand von 300 Metern zu Wohnhäusern nicht aus Lärmschutzgründen versagt werden können.

Diese Antwort kann nicht wirklich befriedigen, vor allem den Planungsverband nicht. Deshalb haben wir uns einmal auf die Suche gemacht, woher Herr Altmaier seine „wissenschaftlichen“ Erkenntnisse denn hat. Zumal wissenschaftliche Untersuchungen dazu etwas anderes sagen. Um es vorweg zu sagen: Ich gehöre zu den 80% der Deutschen, die Windkraft als alternativen, erneuerbaren und umweltschonenden Energieträger befürworten.

Alternativ gegenüber den hohen Risiken des Atomstroms und alternativ auch gegenüber der CO²-lastigen Kohle. Jedoch musste ich bei den Recherchen feststellen, dass es auf beiden Seiten der „Front“ viel Behauptung und wenig wirklich wissenschaftlichen Beweis gibt. Einen Unterschied zwischen beiden Seiten gibt es jedoch. Mit viel Mühe kommt man an die aktuellen „wissenschaftlichen Erkenntnisse“ - sie geben aber den Windkraftgegnern recht. In unserem ausführlichen Kommentar im Internet habe ich dies detaillierter und inklusive Quellenangaben dargestellt. Nur online: Altmaiers Behauptungen stützen sich auf eine Studie die sich mit der Akzeptanz der Windkraft in der Bevölkerung befasst (Uni Halle) und nur am Rande mit dem Lärm als einem „der bedeutendsten Moderatoren“ für Inakzeptanz. Die „Lärmakzeptanz“ wurde allerdings anhand von Fragebögen und Methoden untersucht, die für Verkehrslärm üblich sind. [Opens external link in new windowQuelle]

Seit der nachfolgend genannten schwedischen Studie aus dem Jahr 2004 ist aber schon bekannt, dass der Lärm von Windkraftanlagen einen völlig anderen Charakter hat. Die Schweden stellten bei der Untersuchung eines Windparks fest, dass bis zu einer Entfernung von 2 km eine hohe Lärmdosis wahrgenommen wird, die mit der Entfernung deutlich abnimmt. [Opens external link in new windowQuelle] Die in der Quelle genannte Studie dürfte auch den Forschern in Halle bekannt sein und deshalb ist ihr Ansatz unseriös. Es ist frustrierend, dass eine in diesem Punkt nicht ausreichend gründliche Studie jetzt die Richtschnur für das Handeln der Planungsverbände sein soll. Im März 2012 wurde darüber hinaus eine Studie der Universität Adelaide (Australien) über die Beeinträchtigungen durch Lärm von Windfarmen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass mehr als 70% der Umfrageteilnehmer, die im Umkreis von 5 Kilometern um eine Windfarm leben, negative Auswirkungen durch den Lärm der Windkraftanlagen angaben. Mehr als 50% der Teilnehmer waren „mittel oder stark“ vom Lärm der Windkraftanlagen beeinträchtigt. Die Umfrage wurde im Umfeld der Waterloo Windfarm in Südaustralien durchgeführt, die aus 37 Vestas V90 3-MW-Turbinen besteht und sich über 18 Kilometer erstreckt. Die Riesenturbinen erzeugen mehr niedrequenten Schall (Low Frequency Noise – LFN) als kleinere Modelle, wodurch mehr Menschen und in größerer Entfernung unter den Auswirkungen zu leiden haben. Die typischen Symptome des Windkraftanlagensydroms (Wind Turbine Sysdrome – WTS) sind Schlaflosigkeit, Kopfschmerz, Übelkeit, Stress, Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit usw. und führen zu einer Schwächung des Immunsystems und insgesamt zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die dänische Regierung hat – im Gegensatz zur deutschen - inzwischen anerkannt, daß LFN eine gravierende Lärmkomponente für Nachbarn von Windparks ist. Sie hat deswegen eine Regelung verabschiedet, nach der LFN in Wohnungen 20 db(A) nicht übersteigen darf. Das ist die Lautstärke einer sehr leisen, gerade noch vernehmbaren Unterhaltung. Gehörschäden entstehen dadurch zwar nicht, aber man braucht sich nur zu fragen, wie man es wohl empfinden würde, wenn in der Wohnung ein ständiges „monotones Flüstern“ zu hören wäre. Wie dies wahrgenommen wird, hängt sehr von der persönlichen Konstitution und – so merkwürdig es klingen mag – Einstellung zur Lärmursache ab. Bekannt ist, dass Geräusche auch um so lauter empfunden werden, je mehr man sie ablehnt. „Lärm ist das Geräusch der anderen,“ sagte schon Kurt Tucholsky ziemlich treffend. In der Weise einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden also Windkraftgegner eher gesundheitliche Schäden erleiden als Windkraftbefürworter. Das ist, zugegeben, etwas spitz formuliert, doch dieses Phänomen löste den Forschungsauftrag an die Martin-Luther-Universität aus. Das Ergebnis dürfte die Anwohner nicht befriedigen. Amerikanische und britische Forscher verglichen in einer weiteren, kürzlich erst veröffentlichten Studie zwei Gruppen von Einwohnern im US-Bundesstaat Maine. Die eine Gruppe lebte innerhalb eines Radius’ von 1 Meile um einen Windpark, die andere Gruppe nicht. Den Forschern zufolge ist die Studie, erschienen im Journal Noise and Health, die erste, die klare Zusammenhänge zeigt zwischen Windparks und „wichtigen klinischen Indikatoren bzgl. Gesundheit, einschließlich Schlafgüte, Tagesmüdigkeit und geistige Gesundheit“. Beide Gruppen ähnelten sich in demographischer und sozialer Hinsicht, aber die Forscher fanden wesentliche Unterschiede bei der Qualität des Schlafes in beiden Gruppen. Die Ergebnisse, Ende 2012 veröffentlicht und auch Herrn Altmaier zugänglich, stellen den bisher klarsten Beweis dar, dass seit Langem geäußerte Klagen von Leuten berechtigt sind, die in der Nähe von Windturbinen wohnen, und zwar über den Lärm der Rotoren, der den Schlaf stört und stress-bezogene Probleme bereitet. „Es gab klare und signifikante Beziehungen zwischen Dosis und Schlafgüte. Mit zunehmender Entfernung von den Windturbinen nahmen diese Effekte immer mehr ab.“ Die Forscher bestimmten auch „geistige Komponenten” der Teilnehmer und fanden eine „signifikante“ Verbindung – möglicherweise verursacht durch konstant schlechten Schlaf – zwischen Windturbinen und geringerer geistiger Gesundheit. Mehr als ein Viertel der in der Nähe von Turbinen wohnenden Teilnehmer sagte, sie mussten sich medizinisch wegen Depressionen oder Angst untersuchen lassen, seit der Windpark in Betrieb gegangen war. Keiner der Teilnehmer aus der Gruppe, die weit entfernt von Windparks wohnen, berichtete von derartigen Problemen. Anders als einige allgemeine Arten schlafstörenden Lärms wie z. B. der Straßenverkehr, variiert der Lärm von Windturbinen dramatisch, abhängig von Windrichtung und –stärke. Anders als andere Formen variablen Lärms jedoch, wie von Eisenbahnen und Flugzeugen, kann dies sehr lange andauern. Die Natur des Lärms – ein rhythmisches Schlagen oder Pfeifen der Rotorblätter – stört ebenfalls. Die Planungsvorgaben erlauben ein nächtliches Lärmniveau von 42 Dezibel – äquivalent zum Summen eines Kühlschranks. Dies bedeutet, dass Windturbinen nicht innerhalb eines Umkreises von 380 bis 550 m um bewohnte Ansiedlungen gebaut werden können. Die genaue Entfernung hängt vom Gelände und der Größe der Turbinen ab. [Opens external link in new windowQuelle]

Übrigens: Herr Altmaier brauchte sich nur mal in dem ihm unterstehenden Umweltbundesamt umzuhören. Dort gibt es eine DIN 45680, in der es Aussagen gibt zu tieffrequentem Schall. Dort heißt es: „Tieffrequente Geräuschemissionen führen in der Nachbarschaft vielfach auch dann zu Klagen und Beschwerden, wenn die anzuwendenden Beurteilungskriterien nach den eingeführten Regelwerken (z.B. TA Lärm) eingehalten sind. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wahrnehmung und Wirkung tieffrequenter Geräusche deutlich von der Wahrnehmung und Wirkung mittel- oder hochfrequenter, schmal- oder breitbandiger Geräusche abweichen.“ Zu Frequenzen unter der Hörbarkeitsschwelle (60 Hz) heißt es: „Die Betroffenen klagen oft über ein im Kopf auftretendes Dröhn-, Schwingungs- oder Druckgefühl, das auf die Dauer als unerträglich beurteilt wird und das nur bedingt von der Lautstärke abhängig ist und bei stationären Geräuschemissionen zu starken Belästigungen führt.“ Die hier genannten Werte werden bei Windparks in einer Entfernung von 1 km durchaus erreicht. [Opens external link in new windowQuelle, Seite 14]

Der Regionale Planungsverband ist in keiner beneidenswerten Lage. Wie er die Planung auch ausführen wird – sie wird die Gerichte beschäftigen. Bisher scheiterten Klagen der Windkraftgegner. Die Gerichte hinterfragen von sich aus nicht die Gesetze sondern achten nur darauf, ob diese eingehalten sind. Wenn aber das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zum Klagegegenstand wird und ein Richter sich mit den zahlreich vorliegenden Studien vertraut macht, kann er auch zu einem anderen Schluss kommen.


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