Montag, den 25. März 2013 00:27 Alter: 7 Jahr(e)

Wahlen in Radeburg und Moritzburg: Kein guter Tag für die CDU

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: K.KROEMKE

Weder in Radeburg noch in Moritzburg konnten die CDU-Bewerber das Rathaus erobern. In Moritzburg ist das Rennen um den Bürgermeistersessel entschieden, in Radeburg gibt es noch eine zweite Chance, doch die unabhängige Bewerberin liegt überraschend klar vorn.

Jörg Hänisch, Moritzburgs neuer Bürgermeister
Jörg Hänisch, Moritzburgs neuer Bürgermeister

Noch ist unklar, wer künftig im Radeburger Rathaus regiert.
Noch ist unklar, wer künftig im Radeburger Rathaus regiert.

In Moritzburg wurde die SPD um Martin Dulig für das Vertrauen zu dem in Moritzburg sehr beliebten Jörg Hänisch (parteilos) belohnt und Dulig bewies damit politischen Instinkt. Das Ergebnis war durchaus überraschend, denn auch CDU-Kandidat Volker John gilt als beliebt. Was Jörg Hänisch an fachlicher Qualifikation – er ist Verwaltungs-Betriebswirt – voraus hatte, sollte Volker John an Amtserfahrung voraus haben, denn er hatte über lange Zeit den gesundheitlich angeschlagenen Amtsinhaber Georg Reitz vertreten und das neben seinem Vollzeitjob als selbständiger Handwerker. Martin Dulig schätzte noch am Abend ein: „Die Entscheidung für Jörg ist keine Abwertung der Leistungen von Volker, aber es hat der bessere Kandidat gewonnen. Das Ergebnis ist erfreulich eindeutig.“

In Radeburg stahl die unabhängige Bewerberin Michaela Ritter der von der CDU nominierten und von fast allen Stadtratsfraktionen unterstützten Birgit Kretschmer die Schau. Weniger als 3% fehlten hier zum direkten Rathaus-Einzug. Birgit Kretschmer muss nun in den nächsten Wochen versuchen, einen Rückstand von fast 14% aufzuholen. „Die Herausforderung nehme ich an,“ sagte sie noch am Wahlabend. Dieter Jesse war nach Bekanntgabe des Ergebnisses sichtlich geknickt: weder hat es seine Wunschkandidatin geschafft noch landete Andreas Hübler unter 10%, wie er gehofft hatte. Sein Kommentar auf Nachfrage von RAZ zum "Ranking" der beiden Damen: "Damit kann ich leben". Der deutliche Erfolg hat Michaela Ritter selbst überrascht: „Ich hatte angemommen, dass jeder Kandidat etwa ein Drittel der Wähler hinter sich bringt.“ Im Nachhinein muss einen das Ergebnis dennoch nicht verwundern. Michaela Ritter hatte den souveränsten Eindruck von allen hinterlassen. Fragen der Bürger beantwortete sie sowohl fachlich kenntnisreich als auch ortskundig und manche auch charmant. Dort, wo Birgit Kretschmer stark war, in der Praxis mit Fördermitteln und in der Verwaltungserfahrung war Michaela Ritter zumindest nicht schlechter. Durch ihre über 10jährige Arbeit mit dem ILE-Förderprogramm für den ländlichen Raum und den von ihr initiierten Schulungsprogrammen für Vereine hatte sie eine unschlagbare Menge an Referenzen. Zum Erfahrungsschatz gehörte auch der langjährige Umgang mit den Verwaltungen und die gute Vernetzung zu den Bürgermeistern und Behörden der Landkreise und des Freistaates. Das beeindruckte ihre Hörer: „Die kann es,“ hörte man aus dem Publikum. „Die Frau ist tought,“ schwärmte sogar der Bärnsdorfer Stammtisch, für den der ortsansässige Favorit eigentlich feststand. Der „Heimvorteil“ stach zudem gleich zweifach: einerseits konnte in Sachen Ortskenntnis Birgit Kretschmer logischerweise nicht mithalten, andererseits, so schätzte noch am Wahlabend ein Stadtrat der SPD-Fraktion ein, gibt es auch einen Einheimischen-Bonus. Diesen hatten Michaela Ritter im Ort Radeburg und Andreas Hübler in den Promnitztaldörfern Bärnsdorf und Volkersdorf. Hübler holte in seinem Heimatdorf die absolute Mehrheit (52 %), was menschlich für ihn und die Dorfgemeinschaft spricht. Er gewann auch in Volkersdorf. Michaela Ritter dagegen gewann fast alle städtischen Wahlbezirke mit absoluter Mehrheit. Nur im Wahlbezirk Altneubau / nördliche Altstadt blieb sie mit 49% ganz knapp drunter. Birgit Kretschmer gewann nur Bärwalde – hier mit fast 61% allerdings deutlich. Hier zählte der Heimbonus von Christian Damme, der nicht nur als Vertrauensperson ständiger Begleiter wurde, sondern sich auch mit viel Herzblut einbrachte. Zu viel? In Großdittmannsdorf hatte Birgit Kretschmer einen katastrophalen Auftritt, vor allem „Dank“ der hier aus dem Publikum hartnäckig nachfragenden URL-Vertreter. Auch durch die gut gemeinte Gesprächsleitung von Christian Damme, der zu viele Fragen selbst beantwortete, half ihr nicht. Erst nach und nach nabelte sich Birgit Kretzschmer ab und kam dann auch besser an. In den Promnitztaldörfern hatte sie ihre besten Auftritte, landete hier aber trotzdem in keinem weiteren Dorf ein Mehrheitsergebnis. Die Hoffnung, bei einem Verzicht von Andreas Hübler beim nächsten Wahlgang dessen Wähler auf ihre Seite zu ziehen um den Rückstand zu Michaela Ritter wett zu machen, hat Birgit Kretschmer nicht. „Die URL, die in Opposition zum Alt-Bürgermeister und den anderen Fraktionen stand, wird ihren Wählern kaum empfehlen, jetzt das Lager zu wechseln,“ schätzt sie am Wahlabend ein. Ihre Chance sieht sie in der Wahlbeteiligung. Kaum mehr als jeder zweite ging zur Wahl. Vor allem in den zwei Neubaugebieten und in Volkersdorf war die Wahlbeteiligung unterdurchschnittlich. Da schlummern die größten Reserven – und vielleicht auch die größten Defizite in der Wahrnehmung der Rolle der Stadt für die Mitbürger. Das wären Ansatzpunkte für die Bewerber, ihre Profile zu schärfen.

Vielleicht hat auch mancher gedacht, er braucht nicht zur Wahl zu gehen, weil das „schon seinen Gang geht“ mit der Kandidatin, die der Altbürgermeister und die Mehrheit der gewählten Volksvertreter empfohlen haben. Es ging nicht seinen Gang und „echt seltsam“ ist, wie Mirko Jurke noch am Abend auf Facebook kommentierte, „dass man einen Stadtrat wählt und dann so deutlich nicht seinem Rat folgt...“ Möglicherweise ist das nun ein Weckruf an die Stadträte der anderen Fraktionen, die die Unterstützung der „Einheitskandidatin“ der CDU überlassen hatten und sich weitgehend aus dem Wahlkampf raushielten. Aber vielleicht haben sie auch insgeheim schon umgeschwenkt? Als sie sich für Birgit Kretzschmer entschieden, wussten sie nichts von Michaela Ritters Kandidatur. Michaela Ritter aber umging eine solche „Nominierung“ ganz bewusst, weil sie als unabhängige Kandidatin antreten wollte. Ob sich die Stadtratsfraktionen nun noch klarer als bisher bekennen, gibt den kommenden Tagen eine gewisse Spannung, die sich vielleicht dann doch in höherer Wahlbeteiligung niederschlägt.

Die geringe Wahlbeteiligung in Moritzburg und Radeburg (jeweils 55%) indessen ist jeweils ein Indiz dafür, dass nur etwa die Hälfte der Bürger meint, mit einer solchen Wahl kommunalpolitischen Einfluss ausüben zu können. Ein gutes Zeichen für die Demokratie ist das nicht, wenn ein mit 50% neu gewählter Bürgermeister bei einer Wahlbeteiligung ebenfalls um die 50% dann nur ein Viertel aller Wahlbürger hinter sich weiß. Die kommunale Demokratie zu stärken dürfte eine der wichtigen Aufgaben für die Räte sein. Ein interessanter Ansatz waren die durch die Moritzburger Ortschaftsräte organisierten gemeinsamen Kandidatenvorstellungen. Da war der Vergleich unmittelbarer und jeder Bürger brauchte auch nur einen Termin, um sich ein Bild zu machen, und nicht drei. Vielleicht wird das ja in den Wochen bis zum 21. April in Radeburg mal so praktiziert.


weiterführende Links:

Wahlergebnisse (c)Statistisches Landesamt:

 

 

 


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