Freitag, den 01. März 2013 13:55 Alter: 7 Jahr(e)

Die Narren jagten durch die 56. Saison

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: RCC

… denn diese war nur 94 Tage lang. Vom Sonntag, dem 11.11., 11:11 Uhr bis Aschermittwoch 0:11 Uhr waren Radeburgs Narren auf der Pirsch. Besondere Aufmerksamkeit verdiente sich auch in dieser Saison wieder das Programm, das von der ersten Prunksitzung bis zum Ausklang für Stimmung und gute Laune beim geneigten närrischen Publikum sorgte. Höhepunkt war aber zweifellos wieder Sachsens Großer Straßenumzug.

Gruppe 43 - Platz 1 - „Jäger nehmt euch bloß in acht, wenn die Savanne zum Leben erwacht,“ war das Motto der Gruppe.
Gruppe 43 - Platz 1 - „Jäger nehmt euch bloß in acht, wenn die Savanne zum Leben erwacht,“ war das Motto der Gruppe.

Gruppe 43 - mit der Gruppe Uwe Lösche konnte man in diesem Jahr wieder einen absoluten Überflieger auf Platz 1 ausmachen
Gruppe 43 - mit der Gruppe Uwe Lösche konnte man in diesem Jahr wieder einen absoluten Überflieger auf Platz 1 ausmachen

Links im Text verlinken i.d.R. zu entsprechenden Fotos in der Galerie des RCC

Am 11.11. wurde unter den Böllerschüssen der Radeburger Schützen dem „Bürschi“ - zum letzten Mal – Opens external link in new windowAschermittwochgespräch - der Rathausschlüssel abgenommen, ein Fass aufgemacht und durch das alsdann gekrönte Kinder-Prinzenpaar Richard I. und Stella I. die 56. Saison ausgerufen, mit Kuss-, Duz- und anderen närrischen Freiheiten. Und wegen des Sonntags zogen diesmal bereits am Nachmittag, nämlich schon um 15:11 Uhr, auf dem Saal "Zum Hirsch", die „Großen“, Markus I. und Kristina IV. nach.

Schützenhilfe fürs Stadtmarketing

Besondere Aufmerksamkeit verdiente sich auch in dieser Saison wieder das Programm, das von der ersten Prunksitzung bis zum Ausklang für Stimmung und gute Laune beim geneigten närrischen Publikum sorgte. Aufhänger war der "Aufreger" der letzten Jahre, das Radeburger Stadtmarketing mit dem Sackbahnhof als Ausgangspunkt des Radeburger Aufschwungs. Vorschlag an Vorschlag reihte sich aneinander – gestaltet von den einzelnen Programmgruppen des Vereins. Da zeigten die Narrenpolizisten, dass sie hervorragende Synchronschwimmer geworden wären, wenn wir nur ein Spaßbad hätten. Die Funkengarde kam mit dem Vorschlag eines Safariparks rüber – eine Vorlage für die diesjährige beste Umzugsgruppe Uwe Lösche – und alsdann kamen die Mädels dann noch mit dem weltweit einmaligen Landeplatz für Aliens. Im Gangnam-Style verwandelten sich Rabu's Exprinzen und Habi, vom Zeitgeist an den Herd verbannt, in Sexprinzen, die im Gangnam-Style Radeburgs altertümliche Grundfesten erschütterten. Weitere Elferräte philosophierten, ob zu einer weltoffenen Stadt auch die Frisur unterhalb der Gürtellinie gehört. Naja...

Noch nicht bei den Prunksitzungen, aber dann bei den weiteren Veranstaltungen wurde Radeburg die Einrichtung einer eigenen Brauerei ans Herz gelegt – natürlich unter dem unverwechselbaren Markennamen „RadebUrger“. Garde und Prinzenpaar tanzten zum Stimmungshit „Du ich trink Dich schön“ - was natürlich nur in Bezug auf das neue Label Sinn macht (Zwinker!) und zu dem Titel „Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“ - das würde sogar unser Bürschi unterschreiben. Die kleine Schülergarde grub das Thema „Hafen von Rabu“ wieder aus, welches schon Motto der 3. Saison war. Lang lang ist's her...

Und die große Schülergarde präsentierte Rabu als das Tor zum Osten – in Kosakentracht und mit Tschingis Khan. Bei solchen Vorschlägen und wenn man dann noch sieht, wie die närrische Parallelgesellschaft des RCC-Miniclubs erste Anstalten macht, es den großen Narren gleich zu tun, muss es einem um die Zukunft von Rabu nicht bange sein.

Die Umzugsgruppen standen dem Verein in nichts nach. Die Mitglieder des RCC, deren Zahl seit vielen Jahren bei ca. 100 liegt, werden beim Umzug noch einmal durch die 20-fache Zahl an Narren verstärkt, um den regelmäßig mit ca. 75 Umzugsbildern bestückten Umzug zuwege zu bringen. In diesem Jahr zählte die Polizei dann noch einmal 30 000 Zuschauer, die sich das Spektakel live vor Ort ansahen – also etwa so viele, wie Zuschauer zu einem guten Dynamo-Heimspiel kommen. Nur mit dem Unterschied, dass Radeburgs Innenstadt normalerweise nur für 5000 Einwohner „eingerichtet“ ist.

Motivationsschub trotz oder wegen MDR?

Nachdem wir im vorigen Jahr festgestellt haben, dass „die Spitze breiter“ geworden ist, was die Qualität der Umzugsbilder angeht, so konnte man in diesem Jahr mit der Gruppe Uwe Lösche wieder einen absoluten Überflieger ausmachen und war an die Zeiten erinnert, da der OFF (Ortrander Fastnachts Ferein) unumstrittene Nummer 1 war.

„Jäger nehmt euch bloß in acht, wenn die Savanne zum Leben erwacht,“ war das Motto der Gruppe, deren Genialität damit beginnt, immer wieder von Grund auf etwas total Neues zu erfinden – mit einem Aufwand, den sicher nicht jeder treiben will oder kann. Die überlebensgroßen Figuren werden unvergessen bleiben. Bis zu 20 kg mussten selbst die Mädels schleppen und die Gesetze der Physik für die tollen Bewegungen der Figuren nutzen, um unter der Last nicht in die Knie zu gehen.

Unumstritten waren auch die bunten Vögel um Conny Ottlinger mit dem Motto „Wir lassen uns nicht jagen, an diesen tollen Tagen“ , auf Platz 2 gelandet. Sie konnten als Vorjahressieger auch noch mal ihr Vorjahresniveau toppen, aber die Vorjahreszweiten waren diesmal unumstrittene Erste.

Dahinter ging es dann „gewohnt eng“ zu. „Gewohnt“ ist aber nur in Bezug auf die Abstände untereinander zutreffend, nicht auf das Niveau. Diesmal war nicht die Spitze breiter geworden, sondern das Mittelfeld noch mal ein ganzes Stück besser. Wie eng es auf diesem Niveau zuging, dafür spricht die Reaktion der drittplatzierten Gruppe mit dem Motto „Vom Jagdfieber sind wir befreit,weil jeder seine Schönheit zeigt!“ Bei der Umzugsgruppenpämierung hatte die jetzt von Mandy Eichhorn angeführte ehemalige Ines-Schneider-Gruppe wieder auf einen „traditionellen“ Top-10-Platz gehofft. Im Vorjahr waren sie Fünfte. Als dann der 11. aufgerufen wurde und sie noch nicht genannt waren, waren sie schon aus dem Häuschen und von mal zu mal wurden sie lauter – bis eben Platz 3 dran war. Und da hatten sie ebenbürtige Gruppen wie die „Mutschegiebchen“ (Gruppe Uwe Lehmann, Radeburg, Platz 4) mit der genialen Chamäleon-Konstruktion auf dem Wagen, die Blütenjagd (Gaby Lißner und Co.- Platz 5) mit den pinkfarbenen Blüten und den tollen Bienen-Kostümen ebenso hinter sich gelassen wie gefühlt kaum schlechtere Gruppen wie „Jagd auf Rosa Oktober“ (Dittsdorfer Jugend um Mario Socha, Platz 18), die „Augen“ der Gruppe um Katrin Hausmann (Freitelsdorf, Platz 16) oder die „Urmenschen“ um Maik Hantke (Freitelsdorf, ehem. Gruppe Rico Lehmann, Platz 11).

Die „Blitzerschweine“ (die Gruppe um Micha Mösch) die mit dem 1. schwulen Prinzenpaar im Vorjahr auf Anhieb unangefochtener Liebling der Internet-Community wurden und damals mit Platz 17 von der Jury anscheinend glatt übersehen wurden, kamen diesmal mit einem Sprung um 11 Plätze nach vorn besser weg, obwohl auch sie aus zwei Gründen von vielen noch weiter vorn gesehen wurden: sie hatten auch diesmal wieder eine tolle Laufgruppen-Choreographie, die sie nicht nur an den Standorten von Jury und Kamera zeigten, sondern über die gesamte Umzugsdistanz hinweg. Zweitens griffen sie das Thema des „Blitzerwahns“ auf, der viele Radeburger und die „Durchpendler“ aus dem „Hinterland“ extrem nervt und gefühlt aus Radeburg eine „Blitzerhauptstadt“ macht. Sie gaben also genau das wieder, was Anlass für das diesjährige Motto war.

Platzierungen wurden nur bis Platz 30 vergeben. Um das Niveau zu demonstrieren seien nur noch zwei Beispiele für „Jenseits der 30“ genannt, die ebenfalls eigentlich so gut waren, dass man sie unter den Top 20 vermutet hätte. Zum Beispiel die „Schnitzeljagd zum Wandertag“ - eine Gruppe aus Ullersdorf, die mit ihren „Schnitzeljägern“ für Riesengaudi schon am Anfang des Umzuges (Startnummer 10) sorgten oder die „Heimatlosen“ aus Königsbrück (Nummer 46), die den genialen Einfall hatten, dass die Erwachsenen alle ins Gefängnis gehören und von den Kindern bewacht werden müssen. Ist nicht zu ändern, denn jeder Platz kann nur einmal vergeben werden und diesmal waren eben alle nicht nur richtig richtig gut, sondern richtig, richtig besser.

Vielleicht war auch der MDR diesmal „dran Schuld“ und die Niveausteigerung eine Trotzreaktion auf das angekündigte Fernbleiben des Senders.

Narren ernst nehmen

Als bekannt wurde, dass der Umzug aus Rabu nicht auf dem Sendeprogramm steht und damit Sachsen das wohl einzige Bundesland ohne eigene Umzugsübertragung ist, brach eine Welle der Empörung über den Sender herein. Der Aufruf der RCC-Facebook-Fangemeinde, 1111 Mails an den Sender zu schicken – nicht etwa als Unterschriftensammlung sondern mit individuellen Briefen - blieb nicht ohne Wirkung. Für eine Programmänderung war es zu spät, aber der Sender schickte schon wenige Tage nach Beginn der Kampagne eine Einladung an den Präsidenten, entschuldigte sich und klang am Schluss so, als sei die Abkehr von der Liveübertragung keine endgültige. Im Hintergrund gab es auch einen regen Gedankenaustausch zur Qualität von Bildregie und Moderation, was dafür spricht, dass man die Ursachen für zurückgehende Zuschauerzahlen auch mal beim Sender sucht und nicht beim gemutmaßten öffentlichen Desinteresse. Die 1111 Mails waren schon nach einer reichlichen Woche zusammen. Bis heute haben allein 1422 Facebookfans bekundet, an den MDR-Sachsenspiegel geschrieben zu haben. Klaus Brähmig (MdB-CDU), Vorsitzender des Tourismusausschusses des Bundestages, schrieb – und zwar an die Intendantin des MDR, Prof. Dr. Carola Wille. Brähmig unter anderem: „Generationenübergreifend und hierarchielos wird die fünfte Jahreszeit – auch in unserer Region von vielen kleinen, ehrenamtlich organisierten Vereinen – jedes Jahr begangen. Gerade auch gegenüber der umfangreichen Berichterstattung der anderen dritten Programme der ARD, wie WDR und SWR, empfand ich auch persönlich die Auslassungen des MDR sehr bedauerlich.“ Brähmig zitierte Goethe: „Der Karneval ist ein Fest, das dem Volke eigentlich nicht gegeben wird, sondern das sich das Volk selbst gibt.“ und ergänzt: „Aus diesem Grunde würde ich mich freuen, wenn diese Gedanken in die künftigen programmatischen Überlegungen und Planungen Einzug finden.“ Ja. Das würde uns auch freuen. Vor allem aber hat uns gefreut, dass kaum jemand die Nichtübertragung als Fiasko für Rabu empfunden hat sondern im Gegenteil, dass es eher einen Motivationsschub gegeben hat.

Als der MDR dann wenigstens den Kameramann Mario Unger schickte, um etwas für den Nachrichtenblock zu haben war es auch schön zu erleben, wie dieser selbst von der Begeisterung erfasst wurde. „Ich war in meiner Heimat am Sonnabend beim Skifasching in Geising“, erzählte er. „Aber das lässt sich ja gar nicht vergleichen!“ Als er sich an der Umzugsstrecke umsah, gefüllt mit tausenden Teilnehmern und Besuchern war er schwer beeindruckt... Es zeugt vom Selbstbewusstsein des närrischen Volkes von Rabu, wenn an den Stammtischen nach dem Umzug davon geredet wurde, dass die Narren für ihr Überleben den MDR nicht nötig haben, sondern umgekehrt, der MDR die „Narren ernst nehmen“ sollte, wenn er selbst als Regionalsender ernst genommen werden möchte.

Das „Jagdfieber" entfachte ein Stimmungsfeuerwerk, das im lauten gemeinschaftlichen Gesang der Saisonhymne in der Nacht nach dem Umzug seinen endultimativen Höhepunkt fand. Es war schon ein berauschendes Gefühl, im Megazelt zu stehen und das Gefühl zu haben, dass ungefähr 2000 Leute mitsingen, wie schon in Tausende in den Abenden davor. Wenn angestimmt wird „Wir sind nicht in Köln hier, wir wolln auch kein Altbier. Wir feiern in Radeburg den schönsten Fasching der Welt.“


weiterführende Links: 

Achtung! Weitere Links werden im Laufe der kommenden Woche hier noch eingestellt.

 


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