Mittwoch, den 22. April 2015 00:02 Alter: 5 Jahr(e)

Zuwanderung: Thomas de Maizière in Meißen zu aktuellen Asylfragen

Kategorie: Dresdener Land und Umgebung

VON: KLAUS KROEMKE

Der Bundestagsabgeordnete unseres Wahlkreises, Thomas de Maizière, ist als Innenminister auf Bundesebene der direkt Verantwortliche für dieses Thema. Thomas de Maizière sprach im Rathaus von Meißen vor etwa 1000 Bürgern zu Asylfragen. Die mal als Forum, mal Podiumsdiskussion angekündigte Veranstaltung der Sächsischen Zeitung und des Meißner Kulturvereins war allerdings mehr ein Vortrag mit anschließender Fragestunde. Profund und detailreich schilderte er in der am 20. März stattgefundenen Veranstaltung die aktuelle Lage und beantwortete dabei auch die von RAZ vorab eingereichten Fragen mit. Er sparte dabei auch nicht mit Kritik und Selbstkritik.

Thomas de Maizière hier bei einer früheren Veranstaltung.
Thomas de Maizière hier bei einer früheren Veranstaltung.

Zur Kritik gehört, dass die Bearbeitungsdauer der Asylanträge derzeit 5,5 Monate dauert, was „natürlich viel zu lang ist.“ Auch auf die Masseneinwanderung aus dem Kosovo, wo es keine politische Verfolgung gibt, wurde zu spät reagiert. Im Frühjahr wurde es aber nach diplomatischen Verhandlungen geschafft, mit Hilfe der Bundespolizei Einwanderer schon an serbisch-ungarischen Grenze zu stoppen. Sein Missfallen äußerte er auch erneut über jene, die aus der Flucht, aus der Not und dem Elend des Krieges ein Geschäft machen und nennt die syrische Familie, die zweimal 20000 $ ausgegeben hat, um auf ein marodes, vielleicht todbringendes Schiff zu kommen. „Zynischer kann ein Geschäft mit Menschen nicht sein.“ Denen das Handwerk zu legen, ist aber nicht so einfach. „Wir sind nicht bereit, Soldaten nach Libyen zu schicken, um das in Ordnung zu bringen,“ so de Maizière. Inzwischen, fast einen Monat später, hat sich die Lage weiter zugespitzt. Schon damals, am 20. März, schätze de Maizière ein: „Aus Syrien und dem Irak kann ich realistischerweise nicht groß Entwarnung geben, auch wenn wir daran arbeiten.“ Anders sei die Lage auf dem Westbalkan. „Serbien ist EU-Aufnahmekandidat, das sind Länder mit demokratischen Wahlen. Dort gibt es zwar eine Diskriminierung von Roma, aber das ist keine politische Verfolgung, aus der sich ein Asylanspruch ableiten ließe.“ Man müsse mehr tun, um zu vermeiden, dass solche Asylbewerber überhaupt kommen. „Mit den Serben haben wir vereinbart, dass wir Bundespolizei hinschicken konnten und haben außerdem Grenzkontrollen trilateral mit Österreich und Ungarn durchgeführt.“ Ursache für die Welle aus dem Kosovo seien Gerüchte dort vor Ort gewesen, hier in Deutschland gäbe es 4000 € Begrüßungsgeld und man dürfe hier ein halbes Jahr bleiben und gut leben. Das deckt sich mit der vom Minister genannten Bearbeitungszeit für Asylanträge und hochgerechnet dürfte das in etwa auch der Betrag sein, den Asylbewerber bis zur Abschiebung erhalten. „Als uns das bekannt wurde,“ erklärte de Maizière, „haben wir dann natürlich sofort Gegenpropaganda im Kosovo gemacht. Die Präsidentin vom Kosovo ist persönlich an die Bushaltestellen gegangen, um die Ausreisewilligen zum Bleiben zu bewegen.“ Das hat offenbar auch gefruchtet, denn der Zustrom aus dem Kosovo ist abgeflaut. „Doch,“ so greift der Minister die berechtigte Frage auf, „was ist aber nun mit denen, die schon hier sind?“ Entgegen dem, wie es am Anfang des Jahres gelaufen ist, habe man „vereinbart, die Kosovaren bleiben im Erstaufnahmelager, bekommen nur Sachleistungen, kein Geld.“ Damit wurden die Gerüchte durch Fakten widerlegt und die Abgeschobenen konnten zu Hause erzählen, dass es keine 4000 Euro gibt. Was wurde in seinem Ministerium noch getan, um der Flüchtlingswelle Herr zu werden? „Wir haben Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sogenannte sichere Herkunftsländer in einem Gesetz geregelt, das die Verfahren abkürzt.

„Das Abschieberecht muss wieder handhabbar gemacht werden.“

Wir arbeiten daran, die Vollzugsdefizite bei Ausweisung und Abschiebung zu beenden. Im Dezember haben wir einen Kabinettsbeschluss gefasst und ein Gesetz vorgelegt, das letzte Woche in erster Lesung in den Bundestag kam. Ich hoffe, im Juni ist es verabschiedet.“ Das neue Gesetz enthält folgende zwei Botschaften: ein Bleiberecht für diejenigen, die hier schon lange sind, also die sowieso schon 6 Jahre oder 8 Jahre hier sind, ihren Unterhalt überwiegend selbst bestreiten, keine Straftaten begangen haben, über hinreichend Deutschkenntnisse und nicht über ihre Identität getäuscht haben. „Aber geht aber nur, wenn es keine Prämie dafür gibt, Verfahren zu verzögern,“ so der Minister. „Deswegen ist die andere Botschaft, dass das Abschieberecht wieder handhabbar gemacht wird. Wir wollen nicht mehr hinnehmen, dass Menschen über ihre Identität täuschen und deshalb einen Vorteil davon haben.“ Wie kann man das verhindern, ist die daraus sich konsequenterweise ergebende Frage. „Wir nehmen Einsicht in ihre Handys und Datenträger. Mit wem stehen sie in Verbindung? Das sagt auch aus, wo sie herkommen.“ Wiedereinreisesperren für bereits abgeschobene gab es bisher nicht. Bisher gab es auch keine Möglichkeit, Personenfeststellung mittels Fingerabdrücken und telemetrischen Daten zu erheben. „Das werden wir jetzt einführen,“ versprach de Maizière und in der Tat ist auch das Gegenstand der Verhandlungen auf EU-Ebene in den letzten Wochen gewesen. Wie läuft eine Abschiebung ab? Der Ausreisepflichtige bekommt eine Ausreiseverfügung. Wenn er nicht geht, wird diese wiederholt. Folgt er dem weiterhin nicht, erfolgt Vollzug durch Beamte. Dieser wird überraschend durchgeführt um ein Untertauchen zu vermeiden. Dann geht es über so genanntes Ausreisegewahrsam und der betreffende wird in ein Flugzeug in seine Heimat gesetzt. Das ist natürlich ein enormer Aufwand für die Behörden und dann versteht man auch, warum bei einer solchen Flüchtlingsflut das ganze Prozedere so lange dauert. Und dazu kommen dann noch „Fälle wie Tunesien, die ihre eigenen Staatsbürger nicht mehr zurücknehmen, wenn sie keinen Pass haben,“ ergänzt der Minister.

„Eine nicht minder komplizierte Aufgabe ist es, die, die da bleiben, besser zu integrieren. „Arbeit war verboten bei hoher Arbeitslosigkeit,“ sagt Thomas de Maizière. „Jetzt, wo die Arbeitslosigkeit aber sinkt, sollen sie arbeiten und fasst seine Ausführungen zusammen:

„Wir müssen insgesamt mit ziemlich hohen Flüchtlingszahlen rechnen, aber bei den Balkanstaaten die Zahlen drastisch zu reduzieren, um dann bei den anderen ziemlich schnell sagen zu können: ihr bleibt oder ihr bleibt nicht, ihr müsst gehen. Das geht nicht über Nacht. Dazu müssen alle ihre Hausaufgaben machen – der Bund, der Freisaat, die Landkreise und die Kommunen. All das ist verdammt mühsam. Wir waren darauf nicht richtig vorbereitet Einen solchen Anstieg der Bewerberzahlen konnte niemand vorhersagen. Deshalb ist es gut, wenn wir es so gemeinsam wie möglich machen, möglichst wenig gegenseitige Vorwürfe, so sachlich wie möglich, so menschlich anständig wie möglich, so rechtlich klar wie möglich, damit wir der humanitären Verantwortung einerseits und dem Missbrauch zu wehren andererseits gerecht werden. Das ist bisher einigermaßen gelungen in Deutschland, mit allerlei Schmerzen und falschen Entscheidungen, die es auch gegeben hat, aber es wird uns in Zukunft hoffentlich besser gelingen, mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe umzugehen.“


Anschließend beantwortete der deutsche Innenminister Fragen der Bürger, die wir im Folgenden nur geringfügig gekürzt wiedergeben.


Frage: Immer wieder kommt es zu Übergriffen von Asylbewerbern. Wie sieht es mit dem Schutz unserer eigenen Bevölkerung aus? Was sagen Sie zu der steigenden Kriminalität durch Asylbewerber? Was sagen Sie zu den Diskoschlägereien? Was sagen sie dazu, dass die Asylbewerber hier mit Messern herumlaufen? Warum werden diese Täter trotz erkennbarer Straftat nach Personenfeststellung wieder in ihr Heim entlassen, wie nach dem Anschlag in der Tankstelle in Meißen?

Thomas de Maizière: Wenn man sich die Zahlen insgesamt anschaut, ob die Kriminalität unter Asylbewerbern hoch ist, so ist das der Fall bei Asylbewerbern aus bestimmten Ländern und aus bestimmten Strukturen, also das sind die berühmten alleinstehenden jungen Männer aus Tunesien. Aber insgesamt ist der Anteil an Straftaten von Asylbewerbern nicht überdurchschnittlich, er ist klein. Was es gibt, sind Körperverletzungen untereinander in den Heimen, wo die Polizei dann einschreitet, weil man untereinander mit Messern aufeinander losgeht. Aber eine besondere kriminelle Zunahme durch die Asylbewerber lässt sich durch die Kriminalstatistik nicht nachweisen.

Zwischenrufer: Alles Einzelfälle!

Ich sage ja nicht, dass es keine Straftaten gibt, ich habe nur argumentiert, jetzt kommen Asylbewerber und jetzt kommt eine große kriminelle Unsicherheit in unserem Land. Wir haben auch eine Menge Kriminalität unter deutschen Staatsbürgern und ein massives Problem mit Crystal Meth und da sind auch ausländische Strukturen mit dabei, bei den Vertriebsorganisationen aus Tschechien zum Beispiel, das ist alles wahr. Es gibt auch eine insgesamt erhöhte Ausländerkriminalität. Auch das ist wahr. Aber die ist in den Ballungsgebieten viel höher als im ländlichen Raum. Das muss man auch mal sagen. Aber die Kriminalität durch Asylbewerber, die ist nicht besonders hoch.

Zu dem Heimschicken von Straftätern: Eine Privilegierung von Asylbewerbern im Strafverfahren ist natürlich nicht in Ordnung. Ich kenne jetzt den konkreten Fall mit der Tankstelle nicht, ich werde mir das noch mal angucken. Wenn jemand an einer Tankstelle eine Sachbeschädigung macht, dann hat die Polizei zu kommen und ohne Ansehen alle gleich zu behandeln. Eine strukturelle Bevorzugung von Straftätern kann es nicht geben. Da haben Sie den Innenminister auf Ihrer Seite.

Zu den Diskoschlägereien: Das gibt es jedes Wochenende. Das ist tägliches Leidensbrot der Polizei. Da ist eine zusätzliche Verschärfung gekommen durch die Asylbewerber. Wenn es hier eine solche Aktion gegeben hat, dann ist das nicht in Ordnung, dann muss man dagegen vorgehen, da kann man aber jetzt nicht alle Asylbewerber dafür in Haftung nehmen. Da ist die Schwierigkeit der Beweislage – wie bei jedem anderen Fall auch: „Die anderen haben angefangen“...Prinzipiell zu sagen, weil es eine Schlägerei gab, haben die Asylbewerber angefangen, Opens external link in new windowwürde ich jetzt so auch nicht unterschreiben.

Natürlich gibt es auch Leute, die provozieren. Ich weiß nicht, wie der Fall war, aber das muss aufgeklärt werden. Es gibt aber weder Sonderbehandlung noch Schlechterbehandlung für Asylbewerber durch die Polizei, das darf es nicht geben.

Zur Frage, dass Asylbewerber Messer als Waffe einsetzen: Also ein Messer kann sich jeder kaufen. 

Zwischenruf: Haben Sie ein Messer einstecken?

Thomas de Maizière: Ich hab natürlich kein Messer einstecken. Aber ich weiß, dass ganz viele ein Schweizermesser einstecken haben, ich weiß von ganz vielen jungen deutschen pubertierenden Männern, die vor Kraft nicht laufen können, dass sie Messer einstecken haben, wahrscheinlich noch mehr als Asylbewerber.

Statement einer Bürgerin zu der Aktion auf dem Theaterplatz, dem angeblichen Flüchtlingscamp, das sich später als Inszenierung entpuppte: Die in Dresden demonstriert haben, die wollen die gleichen Rechte wie wir Deutschen – wo gibt es denn so was? Die sollen erst mal was leisten...

Thomas de Maizière: Das geht natürlich überhaupt nicht, dass man hier her kommt, übrigens seinen Namen nicht sagt und sagt, man möchte hier bleiben ohne Asylverfahren. Nun ist es aber so, dass der Theaterplatz nach 2 Tagen geräumt wurde, während in Berlin und in Hamburg in solchen Fällen die Sache immer noch ungeklärt ist.

Es stellte sich dann aber heraus, dass die Leute gar nichts mit Asyl zu tun hatten und die Helfer aus ganz anderen Bundesländern kamen und dass das eine gezielte politische Aktion war. Das ist schnell beendet worden. Sicher kann man sagen, das könnte schneller beendet werden, aber wir waren da lieber auf der sicheren, gerichtlich abgesicherten Seite.

Frage: Warum sind Sie gegen ein allgemeines Einwanderungsrecht parallel zum Asylgesetz?

Thomas de Maizière: Asylgesetz habe ich erläutert – den Berechtigten Asyl gewähren, die anderen haben das Land zu verlassen. Insgesamt haben wir, wie sie längst wissen, ein demografisches Problem. Wir haben zu wenig Kinder und zu wenig Menschen Wir können das Problem durch Zuwanderung nicht komplett lösen, aber mindern. Sie können die Handwerkskammern in ganz Deutschland fragen, rauf und runter, sie sind alle der selben Meinung.

etzt ist die Frage, wo kommt diese Zuwanderung her. Wir haben im letzten Jahr einen hohen Zuwanderungssaldo gehabt, auch ohne Asylbewerber. Es kamen 2/3 aller Zuwanderer aus Europa. Und das ist gut so. Denn die Zuwanderer aus Europa sind am leichtesten zu integrieren. Ich war vor einiger Zeit in Kreischa. Dort gibt es 2500 Arbeitsplätze. Kreischa müsste morgen zumachen, wenn sie nicht Pflegekräfte und Krankenschwestern aus dem Ausland hätten, weil es sonst hier keine gibt. Und deswegen wirbt der Eigentümer von Kreischa für Pflegekräfte aus Spanien, Italien, aus Polen, damit das langt.

Wir haben ein paar Probleme bei der so genannten Integrationszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien, aber manche medizinische Versorgung in ländlichen Gegenden würde zusammenbrechen ohne Ärzte aus Bulgarien oder Rumänien.

 

Dazu müssen wir auch kein Zuwanderungsrecht haben und auch kein Einwanderungsgesetz machen, wir haben nämlich dadurch, dass wir Teil der europäischen Union sind, Freizügigkeit, nicht nur im Bezug von Sozialhilfen, sondern Freizügigkeit zur Arbeitsaufnahme. Da müssen wir gar nichts regeln. Jetzt gibt es noch die Drittstaatenzuwanderung. Im letzten Jahr hatten wir aus dieser Gruppe 40.000 in ganz Deutschland. Das ist ziemlich wenig. Und jetzt ist die Frage: brauchen wir da mehr oder weniger Zuwanderung und wie regeln wir das? Da sagen einige, wie Sie offenbar aus, lasst uns doch ein Einwanderungsgesetz machen, was die Zuwanderung stärker begrenzt. Andere sagen, wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, was die Zuwanderung noch erhöht. Da gibt es die AfD und die SPD, beide sagen, wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, aber meinen damit etwas total entgegengesetztes. Meine Position ist, dass die Regelungen, die wir jetzt haben, ausreichen.

Wir haben Regelungen, dass ein Höchstqualifizierter hier schnellstens Arbeit bekommt. Wir haben Regelungen, dass Menschen, die hier eine Ausbildung machen wollen und einen Arbeitsplatz haben, herkommen können, wenn sie bestimmte Berufe, die wir hier nicht haben, erfüllen können.

Immer ist diese Zuwanderung an einen Arbeitsplatz geknüpft. Man kann nicht einfach mal herkommen.

 

In Kanada gab es mal eine Regelung, die besagte, wer bestimmte Punkte erfüllt, dann kann kommen, auch wenn er keinen Arbeitsplatz hat. Das führte dazu, dass viele gekommen sind, aber keine Arbeit bekamen. Das hat Kanada geändert. Die Zuwanderer müssen nicht nur die Punkte erfüllen, sondern auch einen Arbeitsplatz haben. Hier hat sich Kanada mit seinem Punktesystem dem deutschen System angenähert. Wir haben de facto das gleiche, nur dass wir die Punkte nicht Punkte nennen. Der Unterschied ist nur, dass Kanada, Australien, Neuseeland mehr Bewerber haben, unter denen sie aussuchen können. Wir haben ausländische Studierende hier, von denen wir wollen, dass sie bleiben.

Diese dürfen nach Abschluss ihres Studiums 4 Monate hier bleiben, um sich eine Arbeit zu suchen. Wenn sie keine Arbeit finden, dann läuft das Visum ab und dann verlassen sie das Land. Das heißt, wir haben ganz viele Regelungen, die dazu führen, dass Menschen aus Drittstaaten zu uns kommen nach unserem Interesse. Nach den Steuerungsregelungen, die wir haben.

Und es sind „nur“ 40.000. Und ich würde mir wünschen, es würden 80 oder 100000 sein angesichts der Tatsache, dass wir wenig Jugendliche haben. Dazu brauchen wir aber nicht unser Recht zu ändern, sondern da müssen wir nur mal das Recht, das wir haben, anwenden. Indem wir nach Spanien gehen und die Krankenschwestern anwerben, indem wir nach Malaysia gehen und christliche Frauen oder Männer anwerben, damit sie hier Pflegekräfte werden, ihnen Deutschkurse geben, anders werden wir die Besetzung sozialer Arbeitsplätze nicht lösen können. Also wir sind nicht auseinander in der Frage, ob wir Zuwanderung brauchen, wir sind nur verschiedener Meinung, ob wir dafür ein Einwanderungsgesetz brauchen.

 

Asyl ist etwas anderes. Asyl sollte nicht Teil einer Zuwanderungspolitik sein. Asyl wird nach humanitären Gesichtspunkten entschieden. Wir können nicht sagen, die Flüchtlinge sollen nach Deutschland kommen, die Wirtschaft sucht sich die besten aus und der Rest wird dem Staat vor die Tür gekippt. Das geht nicht. Das will hoffentlich niemand. Asyl ist Asyl. Zuwanderung ist Zuwanderung.

Statement: Herr Nasser(unter den Anwesenden - d. Red.), der sich seit 21 Monaten im Asylverfahren befindet, der mittlerweile fließend deutsch spricht, erhält vom Arbeitgeber nur einen Ausbildungsvertrag, wenn er einen anerkannten Asylstatus besitzt und nicht abgeschoben wird. Hätten wir ein qualifiziertes Einwanderungsgesetz, könnte er nach dem 100-Punkte-verfahren problemlos in den Einwanderstatus wechseln um als Fachkraft nützlich zu sein.

Thomas de Maizière: Da bin ich anderer Meinung. Da bin ich sozusagen härter als Sie. Wenn wir dazu kommen, dass wir das Asylrecht als Teil von Zuwanderung nehmen, dann passiert Folgendes. Es kommen Menschen zu uns, aus welchen Ländern auch immer, ob politisch verfolgt oder nicht, und die, die was können, dürfen bleiben und die anderen müssen wieder gehen. Das kann man doch nicht machen. Das würde auch dazu führen: wenn wir jetzt 10 haben und 9 können kein Deutsch und haben keine Ausbildungsbereitschaft usw. und einer hat es und bei dem sagen wir, du darfst bleiben, und den 9 sagen wir: ihr kommt ja aus einem Land, in dem es keine politische Verfolgung gibt, ihr dürft nicht bleiben, wird jedes Gericht sagen, die neun werden nicht abgeschoben aus Gründen der Gleichbehandlung. Entweder es gibt politische Verfolgung und sie dürfen bleiben oder es gibt keine politische Verfolgung und sie dürfen nicht bleiben. Ich schwöre, wenn wir das machen, dass wir jedem, der hier her kommt, eine Ausbildung geben, dann hätten wir in einem Jahr 100 000 aus dem Kosovo hier und das ist nicht zu beherrschen. Deswegen muss man grundsätzlich Asylrecht und Zuwanderungsrecht trennen.

Frage: „Wir haben auch Armut, aber warum kümmert sich um uns Deutsche niemand? Warum dreht sich alles nur noch um die Asylbewerber?“ und (Frage einer Lehrerin): In vielen sozialen Bereichen wird gekürzt. Schulen werden geschlossen, Kinder müssen weite Wege fahren, wir haben viele Schulabbrecher, Studienabbrecher, es fehlt an Förderung bei der Berufsausbildung, bei der sinnvollen Freizeitgestaltung, beim Sport …

Thomas de Maizière: Es gibt vieles, da gebe ich ihnen Recht, wo man auch nicht drumherum reden muss. Wir haben weniger Geld für Bildung, aber nicht, weil wir zu viel Kosten beim Asyl haben. Die Debatten haben wir in allen Politikfeldern. Man könnte sagen: wir sollten nicht so viel für die Bundeswehr ausgeben, wir sollten mehr für die Bildung ausgeben. Die Vorstellung, wenn jetzt ein teurer Kostenblock wegfällt, geht das Geld automatisch da hin... so funktioniert das nicht. Die formale Antwort, die ich aber gar nicht geben will, wäre: Bildung ist doch Ländersache. Aber darauf will ich mich nicht zurückziehen, weil sie erwidern könnten, der Bund könnte das frei werdende Geld ja den Ländern für Bildung geben. Ich möchte aber sagen: Ja, Asylunterbringung kostet Geld. Und wenn Sie so wollen, fehlt das anderswo. Das ist so. Da will ich gar nicht schön reden. Nur: wir sind ein reiches Land. (- Unruhe im Saal -) Moment! Wir sind ein verdammt reiches Land. Ich sag Ihnen mal: das kleine Jordanien. 2 Millionen Flüchtlinge. Gut. Die Flüchtlingslager werden zum Teil von UNHCR gebaut. Aber was das kleine Land für Lasten zu tragen hat wegen der Krise in Syrien und anderswo, ist mit uns überhaupt nicht zu vergleichen.

„Wir sind ein verdammt reiches Land“

Wir haben jetzt diese Kostenbelastung. Das ist Teil unserer Rechtsordnung. Wir haben auch eine historische Verantwortung mit Asyl richtig umzugehen. Es ist noch nicht so lange her, dass Menschen aus Deutschland geflohen sind und da waren wir froh und dankbar, dass einige Staaten politisch Verfolgten Asyl gewährt haben. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes 1949 haben gesagt, wir begrenzen das politische Asylrecht nicht, es gibt keine Obergrenzen. Deswegen ist es richtig, zu schauen, wer ist politisch verfolgt und wer nicht, aber so lange das nicht feststeht, müssen wir alle gleich behandeln. Wenn wir das elend sehen in der Welt mit 50 Millionen Flüchtlingen, mit 7, 8, 9 Mio Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak, dann müsste es eigentlich für ein reiches Land möglich sein, 200 000 Asylbewerber aufzunehmen. Wir haben hohe Steuereinnahmen wie lange nicht mehr. Wir haben einen hohen Kaufkraftzuwachs in den letzten Jahren wie lange nicht mehr. Es gibt keine Kürzungen in weiten Bereichen. Es ist wegen der Asylbewerber nicht eine einzige soziale Leistung gekürzt worden,es ist nicht eine einzige Investition unterlassen worden, auch nicht im Freistaat, es ist nicht ein einziger Kilometer Autobahn weniger gebaut worden. Was vielleicht geschehen ist, dass man etwas mehr wo anders hätte machen können, aber es gibt keine Kürzungen wegen der Asylbewerber.

Nun die Antwort zum Thema Bildung: Natürlich kann man da vieles beklagen. Wahr ist auch, dass Sachsen im überregionalen Vergleich eine höhere Schulabbrecherquote hat als andere Länder. Aber zu sagen, dass der investive Zustand unserer Schulen und Kindergärten schlecht ist, nach 25 Jahren, das kann man nicht sagen. Zeigen Sie mir eine total verlotterte Schule. Und wenn Sie die finden, dann fahre ich mit Ihnen nach Duisburg, dann fahre ich mit Ihnen nach Gelsenkirchen und zeige ihnen, wie verlottert dort Schulen sind. Wir haben kleinere Klassen als in vielen anderen Bundesländern, wir haben einen geringeren Ausländeranteil, wir haben Top-Lehrerinnen und Lehrer, wir sind bei Pisa weit oben, wir haben eine Ganztagsbetreuung wie sonst kaum. Irgendwo hört auch die staatliche Verantwortung auf bei de Freizeitgestaltung von 14-, 15-jährigen, die müssen auch mal selber was machen oder die Eltern. Der Mitgliedsbeitrag bei einem durchschnittlichen Fußballverein bei uns liegt irgendwo bei 3, 4, 5 Euro im Monat, bei McFit bei 19,99. viele wollen lieber zu McFit als in einen Fußballverein. Aber es gibt keinen Grund, den Besuch eines Fitnessstudios mit Staatsgeldern zu subventionieren. Das tut mir Leid. Man kann sich Turnschuhe kaufen oder die hat man, eine Turnhose nehmen und durch den Wald laufen. Die Freizeitmöglichkeiten sind nicht so schlecht für junge Leute, das muss ich mal sagen, man muss nicht an der Bushaltestelle oder an der Tanke rumstehen und Bier trinken um 15 Uhr. Ich lehne ab, dass automatisch der Staat verantwortlich ist dafür, sonst kommen wir in eine Bevormundung, die die Jugendlichen genau nicht wollen. Wir haben Jugendklubs, die leer stehen, weil manche lieber an der Tanke stehen oder an der Bushaltestelle. Also zum Thema Jugend gäbe es noch viel zu sagen, aber es geht nicht, dass man sozusagen eine Gegenrechnung zum Asyl aufmacht.

Frage einer Vertreterin von „Buntes Radebeul“: Wir haben festgestellt, dass es bei der Ausländerbehörde Meißen deutliche Reserven gibt bei der den Asylbewerber wertschätzenden Kommunikation. Meine Frage an Sie als Wahlkreisabgeordneter, wie können Sie sich vorstellen, diese Situation zu verbessern?

Thomas de Maizière: Wir haben oft in die Ausländerbehörden nicht die besten Mitarbeiter geschickt, über Jahre hin. Da wollten auch viele nicht hin. Die besten wollen gerne da hin wo es Baugenehmigungen gibt oder einen Fördermittelbescheid für ein Theater machen kann. Das ist irgendwie schöner. Und jetzt, wo wir nicht nur Asylbewerber sondern auch sonst in der zusammenwachsenden Welt auch kompliziertere Zusammenhänge haben... Also nehmen wir mal Dresden, da muss der Nobelpreisträger-Kandidat, der in ein Max-Planck-Institut geht, genauso korrekt und freundlich behandelt werden, wie der, der über seine Identität täuscht und vor der Abschiebung steht. Diesen Spagat muss der Mitarbeiter hinkriegen. Und das geht nicht über Nacht. Er muss mit Freundlichkeit und Härte auftreten. Das müssen die Mitarbeiter lernen. Deshalb haben wir mit dem BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – d. Red) ein Programm aufgelegt, um die Mitarbeiter zu schulen. Dresden beteiligt sich an diesem Projekt. Neben sechs, sieben acht Städten. Der Weg, umzuschalten von Abwehr von Ausländern in in Aufnahme von Ausländern und Differenzieren zwischen Ausländern, das ist eine schwierige Aufgabe. Das ist die Situation in Deutschland, wobei ich keine Aussage zu Meißen machen möchte. Das kann ich nicht genau beurteilen. Ich weiß nur eins, und das möchte ich hier schon mal gerne sagen, dass der zuständige Beigeordnete, Herr Zimmermann, sich in einer Weise gegen viel Kritik bemüht, das hier anständig zu machen. Es ist nicht leicht, mit Bürgermeister, und nicht leicht mit protestierenden Bürgern, weil die natürlich auch Rosinen im Kopf haben. Das ist eine verdammt schwere Arbeit und es liegt bestimmt viel auf seinem Tisch. Ich glaube, da muss Meißen sich nicht verstecken im Umgang mit diesem Thema. Über die Mitarbeiter in der Meißner Ausländerbehörde kann ich aber nichts sagen.

Frage eines Handwerksmeisters aus Tanneberg: Stichwort Demografischer Wandel: Brauchen wir wirklich Fachkräfte aus dem Ausland? Wäre es denn nicht vernünftiger, unseren Nachwuchs zu fördern, um zu verhindern, dass die Fachkräfte aus ihrem eigenen Land abgeworben werden, die dort auch gebraucht werden, und um unser eigenen System wieder in den Griff zu bekommen, das Geld scheint ja da zu sein angesichts der Milliarden, die wir in der Welt breit schmeißen und die Banken finanzieren?

Thomas de Maizière: Natürlich bin ich dafür, jetzt wird Sie wundern, was ich sage: wenn wir die familienpolitischen Leistungen zusammennehmen und vergleichen sie mit anderen Staaten: wir geben ziemlich viel Geld aus pro Eltern mit ziemlich wenig Effekt. Frankreich gibt insgesamt weniger aus, hat immer noch eine schlechte demografische Entwicklung, aber besser als wir. Ab dem dritten Kind machen die steuerfrei. Und natürlich volle Kinderbetreuung von Anfang an. Ja. Und eine Abtreibungsregelung, die viel liberaler oder großzügiger ist als bei uns.Die geben relativ viel Geld aus für die Kinderförderung und trotzdem kommen die Kinder nicht zur Welt. Deshalb ist meine Meinung, dass sich Eltern entschließen, Kinder zu kriegen oder nicht zu kriegen, hat wesentlich weniger mit Geld zu tun als wir glauben. Das hat was mit Zukunftshoffnung zu tun, das hat, wie jetzt eine Studie ergeben hat, mit dem Wunsch nach Perfektion zu tun, das hat auch damit zu tun, dass man sein leben nicht verändern möchte, das hat natürlich etwas mit Konsum- und Freiheitsverzicht zu tun, und die Abwägung: ein Kinderlachen gegen eine stinkende Windel, sagen viele, ich verzichte auf beides. Und ich sage ihnen, ja, so ist das. Ich sage Ihnen, ein Kinderlachen bei den eigenen Kindern ist durch nichts aufzuwiegen. Aber dann stinken die Windeln und dann kann man nicht ins Kino gehen und darin liegen die Ursachen, warum viele keine Kinder wollen.

„Wir können unser demografisches Problem nicht mehr anders lösen.“

Aber wir haben jetzt in den ostdeutschen Ländern das tiefe Tal durchschritten. Ich habe erst vorgestern eine Statistik gesehen. Die Fertilitätsrate, die Zahl der Kinder pro Frau, die ist ein, zwei Jahren in Sachsen am höchsten in Deutschland, nämlich 1,46. Das ist eine tolle Nachricht, aber objektiv gesehen viel zu wenig, wir brauchen 2,1 oder 2,4 oder so was, allein zur Aufrechterhaltung der Arbeitskräftezahlen – d. Red). Selbst wenn wir jetzt auf 2,5 kämen ab nächsten Monat, sind zu wenig Frauen da, die diese Kinder dann kriegen. Und das dauert, bis deren Kinder dann im Beruf wären, noch einmal 10 Jahre. Das heißt, allein damit lösen wir unser demografisches Problem nicht. Frauen und Mütter die nicht da sind, kriegen auch weniger Kinder. Selbst wenn man die Zahl (der Fertilitätsrate) verdoppelt, ist die Zahl der Mütter, die potentiell zur Verfügung stehen leider schon zu gering. Ich will gar nichts in Abrede stellen, aber es hilft nichts gegen die Lösung unserer aktuellen Probleme.

Anmerkung des Handwerksmeisters: Aber irgendwann müssen wir doch mal anfangen mit der Lösung der Probleme. Wir sind ein zu kleines Land für so viele Asylbewerber!

Thomas de Maizière: Österreich ist ähnlich dicht besiedelt wie wir, ist ein noch kleineres Land mit 8 Millionen Einwohnern und hat pro Kopf viel mehr Flüchtlinge als wir. Und wissen sie, wo dort die meisten Flüchtlinge herkommen? Aus Tschetschenien. Da bin ich froh, dass wir Asylbewerber aus Tunesien haben und nicht aus Tschetschenien. Aber jetzt zu sagen: ja fangen wir doch mal an mit der Lösung – ja da bin ich doch auch dafür und es wird ja auch besser, nur diese Perspektive ersetzt nicht, dass wir jetzt zu wenige Jugendliche hier haben, dass wir die ganze Schuldebatte hier hatten, dass wir auch mehr Jungs als Mädchen hier haben, weil die Mädchen auch eher weggegangen sind, dass die Jungs zum Teil so sind, wie Sie sie eben beschrieben haben und dass für Mädchen nicht interessant ist, diese Jungs zu heiraten, wenn wir mal ehrlich sind, das gehört nämlich auch dazu. Also die Entwicklung ist richtig, aber mit all den Rahmenbedingungen ist sie so, dass wir es alleine nicht hinkriegen.

Nachfrage des Handwerksmeisters: Länder wie Serbien, Kosovo, Syrien, Irak, Libyen – das sind meines Wissens alles Länder, in denen die USA zusammen mit der NATO interveniert haben. (Großer Beifall aus dem Publikum). Wir wissen alle, was im Kosovo passiert ist und die selbe Problematik haben wir jetzt in der Ukraine, aber offiziell spricht keiner drüber. Was sagen Sie denn dazu?

Thomas de Maizière: Ich fange mal mit der 2. Frage an. Selbst wenn es so wäre, wie Sie sagen, nützt uns das in der aktuellen Lage nichts. Nun kann man darüber schimpfen. Trotzdem ist natürlich das Hauptthema, ich habe den Zwischenruf eben gehört, Ursachenbekämpfung. Nur, ehrlich gesagt, ich komme gleich auf die Lage in Libyen, wir geben ziemlich viel Geld aus für Entwicklungshilfe seit 30, 40 Jahren. Und so besonders erfolgreich waren wir nicht. Nicht nur die Amerikaner, sondern wir alle nicht. Bringen Sie mal so ein Land wie Somalia in Ordnung. Oder nehmen Sie mal Nigeria. Einens der größten Länder in Afrika. Wenn die Entwicklung so weiter geht, hat Nigeria in 10, 20 Jahren so viele Einwohner wie die EU. Und Boko Haram. Jetzt bekämpfen Sie mal die Ursache in Nigeria. Wollen wir jetzt gegen Boko Haram die Bundeswehr einsetzen? Oder nicht? Ich weiß keine Lösung für Nigeria. Das heißt: Ursachenbekämpfung ist richtig. Wir machen das. Wir machen das vielleicht jetzt auch besser als in der Vergangenheit, aber, ehrlich gesagt, es dauert verdammt lange und ob es gelingt wissen wir nicht. Jetzt zu den einzelnen Ursachen. Libyen. Da bin ich gar nicht so weit weg von Ihnen. Gaddafi war ein Diktator. Der hat dafür gesorgt, dass es keine Flüchtlinge gab, die durch Libyen gehen. Das hat Italien und uns ziemlich viel Geld gekostet. Wir haben problematische Verträge gemacht. Jetzt gab es Unruhen gegen Gaddafi und alle waren froh, dass Gaddafi weg ist. Die Nato hat das mit Bomben gemacht. Deutschland hat sich, wie Sie wissen, daran nicht beteiligt, weil wir es nicht für richtig gehalten haben. Das Ergebnis sehen Sie jetzt. Da also bin ich bei Ihnen, zu sagen, der Libyen-Einsatz, so wie er war, war ein Fehler.

„Irak: die Amerikaner sind zu früh rausgegangen“

Jetzt komme ich zum Irak. Da sieht es anders aus. Nach meiner Meinung war der Einmarsch im Irak und der Sturz des Diktators Saddam Hussein richtig. Da sind die Amerikaner nur zu früh rausgegangen. Sie sind viel zu früh rausgegangen mit dem Ergebnis, dass dieser Staat dann zusammengebrochen ist. Also umgekehrt als in Libyen. In Syrien kann man den Amerikanern ziemlich wenig vorwerfen. In Syrien ist der Diktator Assad und es gab Unruhen aller Art, wie auch in Tunesien, in Ägypten usw. Mit der Folge dass die Opposition gegen Assad kämpfte. Die Opposition ist sehr unterschiedlich, da gibt es eine sehr kleine demokratische Opposition, da gibt es aber terroristische Opposition, die uns jetzt ein massives Problem macht. IS ist letztlich aus diesem Konflikt entstanden. Man kann jetzt irgendwie nicht erkennen, dass das die Schuld der Amerikaner ist. Das heißt, die Probleme für diese internationalen Konflikte sind sehr unterschiedlich. Und deswegen ist es nicht so einfach zu sagen, da sind andere schuld … und wir können uns jetzt von den Problemen lösen. Das ist gut für's Politikseminar, aber bei der Lösung von Problemen mit Asylbewerberzahlen bringt uns das nicht weiter.

Frage: Die Nordafrikaner leben in Großfamilien und aus Nordafrika kommen überwiegend junge Männer. Ist das dann so, wenn ihr Asylstatus anerkannt wird, dass die dann nach und nach ihre Großfamilien hier her holen?

Thomas de Maizière: Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn der Asylantrag abgelehnt wird, wir aber eine Duldung haben, das ist leider in vielen Fällen der Fall, gibt es keinen Familiennachzug. Wenn der Asylantrag angenommen worden ist oder einen Flüchtlingsstatus hat, das ist ungefähr bei einem Drittel der Fall, bei 31% von den Asylbewerbern, dann, nach einer gewissen Zeit, kann die Familie nachgeholt werden, aber nur die Kernfamilie, nicht Opa, nicht Tante, nicht Cousin, sondern eine Ehefrau und eigene Kinder.

„Wenn sie ein junges sächsisches Mädchen heiraten, wäre das gut für die Integration“

Die jungen Leute die hier kommen, haben keine Ehefrau und es wäre natürlich schön, sie würden ein junges sächsisches Mädchen heiraten und sich hier niederlassen. Das wäre auch für die Integration am besten. Ich glaube, die Sorge ist nicht so begründet.

Frage: Wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde – in wie weit kann ein Asylbewerber gezwungen werden, das Land zu verlassen?

Thomas de Maizière: Jetzt muss ich ihnen eine harte Antwort geben. Es gibt kein weltweites Recht auf den Wohnsitz der Wahl. Ich weiß, manche fordern das. Ich teile diese Auffassung nicht. Jeder Staat hat Regeln, wer kommen und wer bleiben darf und wer gehen muss. Es gibt Regeln, wo man kommen kann, mit Visum oder so, als Tourist zum Beispiel. Es gibt Berechtigungen in ein Land zu kommen und auf Zeit zu bleiben. Und dann gibt es auch Verpflichtungen, wenn das Visum abgelaufen oder man einen Ausreisebescheid hat, das Land wieder zu verlassen. Und wenn sich da jemand weigert, wird das gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt. Das ist so wie mit allen Rechten und Pflichten. Also wenn ein Kind nicht zur Schule geht, dann wird die Schulpflicht zwangsweise durchgesetzt. Da können sich die Eltern auf den Kopf stellen. Jetzt diskutieren wir eine Impfpflicht. Die haben wir nicht. Wenn wir eine hätten, würde das zwangsweise durchgesetzt. Dann würde das Kind gegebenenfalls durch die Polizei geholt, zum Amtsarzt gebracht und erhielte dort die Impfung. Der Staat macht sich doch lächerlich, wenn er Verpflichtungen ausspricht und sie dann nicht durchsetzt. Das heißt, wenn wir sagen X muss unser Land verlassen, dann muss das gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass jemand sagt: ich verlasse das Land aber dann doch nicht, aber Zwang darf nicht ausgeübt werden. Wenn einer zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird und wird abgeholt, sagt er dann auch: das könnt ihr doch nicht zwangsweise durchsetzen. Ich geh nicht ins Gefängnis, ich bleibe hier weiter wohnen. Das geht doch auch nicht. Deshalb haben wir eine ganze Reihe von Zwangsmaßnahmen, um Recht und Gesetz durchzusetzen.

Frage: Warum redet von der Regierung niemand mit PEGIDA?

Thomas de Maizière: Ich habe im Gegenteil überall für eine Differenzierung zwischen Pegida-Veranstaltern und den Demonstrationsteilnehmern geworben. Auch öffentlich. Auch im Bundestag. Ich finde aber: nehmen wir mal, was jetzt in Frankfurt passiert ist.  Da gab es eine Demonstration mit 20 000 Leuten. Von Blockupy organisiert und wir sahen die brutalste Gewalt die wir seit Langem erlebt haben von Seiten der Demonstranten. Da sage ich: das geht so nicht. Nicht nur die, die Gewalt ausgeübt haben, sind Straftäter und müssen belangt werden, sondern auch die Organisatoren. Sie können sich nicht darauf berufen, dass ein wesentlicher Teil der Demonstranten friedlich war. Die (Gewalttäter) waren Teil der Organisation und die Gewaltanwendung war von Anfang an geplant. Da kann man sich nicht berufen auf die Mehrheit von durchaus friedlichen Demonstranten. Man muss nicht mit jedem ins Bett gehen und man muss in Frankfurt, wenn man friedlich ist, nicht mit Gewalttätern gemeinsam demonstrieren. Das ist meine Meinung zu Frankfurt.

„Ich habe nicht die Absicht mit Herrn Bachmann zu reden“

Jetzt komme ich zurück zu uns. Natürlich kann man gegen die Politik demonstrieren und es gibt viele Themen dabei. Aber ich finde, man muss das nicht mit Herrn Bachmann machen. Das muss ich ihnen ganz einfach sagen. Man muss nicht einem hinterher laufen, der mehrfach vorbestraft ist. Eine Werbeagentur, deren meiste Kunden sind Bordelle. Mit dem muss ich mich nicht gemein machen. Man kann auch anders seine Meinung kundtun. Das ist meine Meinung.

Zwischenrufer: Der hat doch keinen Stein geworfen. Was ist denn schlimmer?

Thomas de Maizière: Sie haben mich doch jetzt nach meiner Meinung gefragt. Ich würde auch anders als bei Frankfurt, jetzt nicht die Demonstranten beschimpfen, weil es das Gefolge von Herrn Bachmann ist. Aber ich muss nicht Herrn Bachmann hinterher laufen und habe auch nicht die Absicht, mit Herrn Bachmann zu reden. ...oder den anderen Organisatoren. Ich bin nicht bereit mit jemand zu reden, der Geert Wilders als Redner hier einlädt. … Davon zu trennen ist, dass ganz viele mit ganz vielen Themen dort hin gehen, mit denen ich befasst bin. Zum Beispiel Hochwasserschutz in München, zum Beispiel Kläranlagen, zum Beispiel öffentlich-rechtliche Rundfunkgebühren. Zum Beispiel Asyl. Zum Beispiel direkte Demokratie. Und da finde ich, muss diskutiert werden. Der heutige Abend ist übrigens ein solches Beispiel. Ich sitze hier zwei Stunden, zwanzig Minuten, das ist ziemlich viel und ziemlich lange, und wir führen hier eine gepflegte Debatte. So muss das sein. Alle sollten das machen. Die Handwerkskammer soll darüber reden, ob man in die Handwerkskammer muss und der Abwasserzweckverband soll sich Gedanken darüber machen ob es einen Anschluss- oder Benutzungszwang gibt oder ob man seine Klärgrube behalten kann und der MDR soll gefälligst eine Veranstaltung machen, wie das mit der öffentlichen Rundfunkgebühr ist – das muss ich nicht alles machen. Das muss man Thema für Thema abarbeiten. Ich diskutiere zum Beispiel über das Thema Asyl – so wie heute. Und da ist jeder, der seriös demonstriert, hier herzlich willkommen. Mir ist völlig egal ob sie bei Pegida mitgelaufen sind oder nicht. Sie sind jetzt hier und wollen diskutieren und ich diskutiere mit Ihnen. Und so, finde ich, muss Dialog sein. Und so habe ich das bisher immer gemacht und so werde ich das weiter machen.

Frage: Warum wird nicht durchgesetzt, was in Dublin II geregelt ist: dass die Asylverfahren in dem Land durchgeführt werden, wo die Asylbewerber ankommen?

Dublin II sagt der Sache nach Folgendes. Wenn jemand, der Asyl möchte, die Europäische Union betritt, so wird das Verfahren in dem Land durchgeführt, in dem er die Union zuerst betreten hat. Und wenn er in ein anderes Land geht, kann er zurückgeführt werden in das Land, in das er zuerst eingereist ist. Als das eingeführt wurde, haben alle gesagt, Deutschland macht sich einen schlanken Fuß. Warum? Weil wir keine Außengrenze haben, außer Flughäfen. Das Ergebnis ist anders, so wie ich es jetzt vorgetragen habe. Wir nehmen ein Drittel der Asylbewerber auf usw. usw. Und deswegen ist es ein harter Kampf, den ich unter anderem führe, dass wir erst mal die Länder unter Druck setzen, das sie da, wo die Asylbewerber ankommen, denen erst mal einen Ausweis geben, sie registrieren und Fingerabdrücke nehmen, um erstmal überhaupt feststellen zu können, ob sie überhaupt aus einem anderen Land kommen. Das war unsere Debatte letztes Jahr mit Italien. In Italien ist es oft so gewesen, da kamen die in Lampedusa an, da haben die irgendwie Geld gekriegt oder einen Fahrschein von irgendwem und sind nach Norden geschickt worden. Da ist ein Teil in Österreich, ein Teil in der Schweiz, ein Teil in Deutschland und viele in Schweden angekommen. Und da haben wir den Italienern gesagt, so geht das nicht. Wenn ihr das macht, dann gefährdet ihr Schengen. Wir helfen Euch bei den Aufnahmen und allem, aber so geht das nicht. Immerhin, ich muss sagen die Zahlen der Ankünfte sind ziemlich hoch, zumindest in Süditalien. Sie sind jetzt bei ungefähr 80% der Registrierung angekommen. Einige rutschen durchs Netz, das ist aber deutlich besser geworden.

Griechenland macht uns große Sorgen aus den Gründen, die sich alle denken können, das muss ich jetzt nicht näher vertiefen, sie haben selber gehört, was der griechische Verteidigungsminister dazu gesagt hat. Das ist eins spezieller Fall mit Griechenland, wie Sie sich denken können. Aber insgesamt ist es besser geworden und wir müssen daran arbeiten, dass wir die Staaten dazu bringen, im Dublinverfahren, so heißt das dann, diejenigen, die in Italien den Asylantrag gestellt haben, nach Italien zurückzubringen, damit dort das Asylverfahren eingeleitet wird. Nun ist es aber so, dass einige Gerichte in Deutschland sagen, für eine Familie in Italien ist es nicht zumutbar, weil Familien Italien nicht besonders gut behandelt. Und ähnliche Urteile haben wir für Ungarn. Und da müssen wir natürlich aufpassen, dass die Staaten nicht folgendes machen: Ich behandle meine Asylbewerber möglichst schlecht, dann gehen sie sowieso nach Deutschland oder Österreich oder Schweden und wenn sie zurück geschickt werden sollen, sagen die Gerichte: ich kann Euch leider nicht zurückschicken, weil es Euch so schlecht geht in diesem Land. Und wir reden hier nicht über Libyen, Tunesien, Somalia, sondern wir reden jetzt über Italien, Kernland und Gründungsmitglied der Europäischen Union. Und deswegen finde ich es richtig, dass wir sehen, dass wir das Dublin-System wieder in Gang bringen – mit viel Druck und das machen wir auch. Mit, wie ich zugebe, bisher mittelmäßigem Erfolg. Deswegen haben wir auch gesagt, wenn das nicht richtig funktioniert, dann sollen wir zumindest auf einer freiwilligen Basis zu einer Verteilung kommen in Europa. Das finden vor allem alle die gut, die viele haben und alle schlecht, die wenig haben. Das ist natürlich alles ein langwieriger und mühseliger Prozess. Wir wollen zurückschicken und die (deutschen) Gerichte hindern uns daran. Das ist natürlich besonders schwierig.

Frage: Wenn man schon weiß, dass die, die kommen, keine Chance auf Asyl haben, zum Beispiel aus dem Kosovo, warum schickt man die dann nicht gleich an der Grenze zurück? Da muss es doch eine kurzfristige Regelung geben. Da muss man doch nicht ein Jahr drüber diskutieren, oder?

Thomas de Maizière: Die Regeln sind so: Wenn man einmal den europäischen Boden betreten hat und Asyl sagt, dann muss ein Asylverfahren durchgeführt werden. Jetzt haben wir eine Regelung im Grundgesetz, dass wir per Gesetz definieren können, welche Länder sichere Herkunftsstaaten sind. Also da gibt es dann keine politische Verfolgung. Das entscheidet dann nicht der Mitarbeiter vom Amt, sondern das wird per Gesetz entschieden. Das haben wir ja bei drei Staaten gemacht. Nicht bei Kosovo und nicht bei Albanien, obwohl ich das gern gehabt hätte. Jetzt muss ich mal eine Bemerkung machen, eine parteipolitische Bemerkung, was ich sonst nicht gerne mache: eine solche Festlegung ist laut Grundgesetz zustimmungspflichtig. Die CDU, die SPD und alle meine Innenministerkollegen wären dafür, aber die Grünen stimmen nicht zu. Sie schwanken, ob sie vielleicht dafür sein könnten, insbesondere beim Kosovo, aber so lange mir die Grünen nicht sagen, dass sie zustimmen, bringe ich kein Gesetz ein, weil es sonst scheitern würde. Deswegen ist das so, wie Sie sagen, aber auch wenn sie ein sicheres Herkunftsland sind, müssten sie irgendwie, von mir aus in Bayern, aufgenommen und in einem kurzen Asylverfahren gesagt bekommen: „Du bist nicht asylberechtigt!“ … Dafür ist die Voraussetzung, und das ist wieder schwer für die Länder und Kommunen, dass wir die dann eben nicht verteilen, sondern Erstaufnahmekapazitäten zur Verfügung stellen. Und das geht. Wenn aber meinetwegen ein Land X sagt, ich möchte aber keine Erstaufnahmekapazität größer Tausend, weil es für die Nachbarn unzumutbar ist, und dann sind es Tausend und es kommen dazu 200 Kosovaren, dann muss das Land diese dezentral verteilen. Und schon ist diese Aktion im Eimer. Deswegen müssen wir dringend, und darüber reden wir mit den Bundesländern, für die aus sicheren Herkunftsländern oder die wir dafür halten, bis zu einer Entscheidung im Erstaufnahmelager lassen. Und dann dürfen wir auch nur Sachmittel ausgeben und keine Geldmittel, damit das Geld nicht sonst wie verbraucht wird, um sie dann schnell zurückzuführen. Also so ist die Diskussion. Für das Gesetz gibt es derzeit keine Mehrheit. Im Bundestag schon, aber nicht im Bundesrat. Und um das dann praktisch umzusetzen, brauchen wir größere Erstaufnahmekapazitäten als wir sie derzeit haben.

Bemerkung des Fragenden: Man braucht doch die Busse gar nicht erst über die Grenze lassen!

Thomas de Maizière: Das ist wahr. Das haben wir jetzt gemacht. Also wir hatten ja in der ersten zwei Monaten 7, 8 Tausend Asylbewerber aus dem Kosovo. Pro Tag zum Teil 1500. Ich habe mit dem serbischen Innenminister gesprochen. Dann ist der Präsident der Bundespolizei zwei Tage später da gewesen. Dann haben wir 20, 30 Bundespolizisten da hin geschickt, an die serbisch-ungarische Grenze, und dort haben wir Grenzkontrollen gemacht und haben gesagt: zurück marsch, marsch. Das selbe haben wir gemacht in Zügen. Auch dort haben wir gesagt, zurück marsch marsch. Und deshalb ist es gelungen, die Zahl auf jetzt 60, 70, 80 pro Tag zu reduzieren. Das war relativ erfolgreich. Aber jetzt haben wir noch zu tun mit denen, die in den ersten Tagen gekommen sind, diese 7, 8 Tausend, die müssen wir natürlich jetzt auch erst mal sehen, dass wir die wieder abschieben, damit auch im Kosovo sich herumspricht, aha, die kommen zurück, dürfen nicht bleiben.

Frage: Ich war in Stuttgart, da stand in der Zeitung eine halbe Seite, von der Polizei selbst verfasst, dass sie sich nicht mehr in der Lage sieht, ihre Aufgaben in vollem Umfang wahrzunehmen, sie müssen rumänische Banden jagen die dort durch die Wohnungen ziehen, sie müssten die ankommenden Züge auf Ausländer kontrollieren, das geht überhaupt nicht mehr, sie müssen Demos begleiten usw. Wenn schon der Staatsschutz seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann, wie soll dann hier in Deutschland weiter gehen?

Zusatzfrage: Die vielen Ausländer, die jetzt hier reinströmen, aus bestimmten Gebieten, in so zahlreicher Form... Ich habe Bedenken, dass die sich irgendwann, wenn es Probleme gibt, oder wenn sie ihre Rechte durchsetzen wollen, zusammentun... Wie soll das hier in Zukunft abgehen?

Thomas de Maizière: Das sind ja Sorgen, die ich verstehe und ich versuche mal, die abzuarbeiten. Also es ist nicht so, dass sich Asylbewerber immer zusammentun. Wir haben ja das Problem, dass sie die Konflikte, die sie mit herbringen, in der Herberge fortsetzen. Da hatten wir in der Gegend Bielefeld das Problem, dass es zwischen Jesiden und Moslems sich richtige gewalttätige Auseinandersetzungen gab. Und die Schiiten und die Sunniten, die bekämpfen sich ja bis aufs Blut. Und das ändert sich nicht, wenn sie hier sind. Also von da her müssen wir eher sehen, dass wir ihnen sagen: „Also, ihr seid hier Gast, hier wird keine Gewalt angewendet und ihr setzt eure Konflikte aus dem Ausland nicht hier auf unserem Boden fort.“ Das ist eher das Problem, als dass sie sich irgendwie zusammentun. Das ist der eine Punkt.

"Wir brauchen keinen Stellenabbau bei der Polizei sondern das Gegenteil!"

Der zweite Punkt ist: die Polizei ist bis aufs Äußerste belastet. Wir haben eine Demonstrationshäufigkeit, die sehr intensiv ist. Die Gewalt von Fußballvereinen und Hooligans war zurückgegangen, jetzt nimmt sie wieder zu. Wir haben eine Radikalisierung von Rechts und Links, wir haben eine Salafistenszene, dann haben wir, gerade in Stuttgart, in der Tat, mit räuberischen Banden zu tun, das sind Kinder aus Rumänien, und all das belastet die Polizei massiv. Ich sage das nicht so öffentlich, weil ich es nicht richtig finde, dass ich Zensuren an die Länder gebe, aber es ist keine Zeit für Stellenabbau bei der Polizei, sondern im Gegenteil. (- spontaner Beifall -)

In den letzten 10 Jahren sind bundesweit 10 bis 12.000 Stellen bei der Polizei gestrichen worden, und das geht so nicht. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass erstmals seit vielen Jahren die Bundespolizei wieder mehr Stellen bekommen hat, etwa 400. Sie haben vielleicht in der Zeitung gelesen, dass ich mit Herrn Schäuble jetzt so verhandelt habe, dass wir ein Sicherheitspaket von noch einmal 750 Stellen für die Sicherheitsaufgaben im Bund bekommen. Und ich möchte das so verstanden wissen: das ist auch ein Signal an die Länder. So. Jetzt noch ein Wort zu den Terroristen. Das ist ein Problem, das können wir allein mit polizeilichen Mittel nicht lösen.

Wir hatten bisher die Sorge, dass der Terrorismus nicht importiert wird, aus Afghanistan zum Beispiel. Inzwischen ist es so, dass wir Terrorismus aus Deutschland exportieren. 650 so genannte Ausreiser, die aus Deutschland in die Kampfgebiete im Irak und in Syrien gehen und dort kämpfen – nicht alle davon, aber viele. Die Zahl ist wiederum geringer als in anderen Ländern, das kleine Belgien vergleichsweise hat 350, Frankreich 1400. Für die IS im Irak und in Syrien kämpfen 3 bis 4.000 Europäer. Ein Teil davon kommt zurück mit Kampferfahrung. Sie haben gelernt zu töten und zu hassen, und das macht uns natürlich die allergrößten Sorgen. Nun sind wir auch nicht ganz blöd und sind wachsam und kennen viele von denen und observieren sie, hören ihre Telefone ab, deswegen möchte ich gerne auch noch mal als Nebensatz sagen: der Staat soll keine Telefone abhören, halte ich für falsch. Der Staat soll nur unter bestimmten rechtsstaatlichen Voraussetzungen Telefone abhören. Das halte ich für richtig. Davon abzugehen, würde die Sicherheit unserer Bürger massiv gefährden. Aber für jede Abhöraktion brauchen wir einen Antrag, das müssen wir dokumentieren usw. - das nur als Zwischenbemerkung. Wir haben Anschläge verhindert in Deutschland, mit Können und mit Glück. Und wir arbeiten daran, dass es weiter keine gibt. Aber wenn Sie sich in der Welt umgucken, zum Beispiel mal in Dänemark. Ein junger Mann, Anfang 20, Däne, also kein Asylbewerber, mittelschwere Straftat, schwere Körperverletzung, kommt ins Gefängnis, wird dort radikalisiert, und dann in einer Veranstaltung, wo es um die Karikaturisten ging, hat er reingeschossen und man kann von Glück sagen, dass nur einer umgebracht worden ist, und dann am nächsten Tag ein Wachmann vor einer Synagoge.

„Mit dieser Unsicherheit müssen wir leben“

Nach allem, was wir bisher wissen, kein großes Netzwerk dahinter, obwohl es natürlich immer Bezüge gibt. Und da sage ich Ihnen, wir geben uns verdammt viel Mühe und ich gebe mir verdammt viel Mühe, aber ich kann ihnen nicht garantieren, dass so was auch bei uns in Deutschland nicht passiert. Das kann niemand, der Verantwortung trägt, garantieren. Und das wissen Sie ja alle. Das heißt aber nicht, dass wir jetzt warten, dass es geschieht, wir tun alles, dass es nicht passiert, aber wir können nicht die totale Sicherheit garantieren. Und mit dieser Unsicherheit müssen wir leben. Das ist bitter und die Lage ist auch gefährlicher als sie war, aber deswegen dürfen wir nicht in Angst und Schrecken leben. Terror kommt aus dem Lateinischen und heißt Furcht und Schrecken. Die Terroristen haben ihr Geschäft schon erfolgreich erledigt, wenn sie uns in Angst und Schrecken versetzen. Und ich fand großartig, nicht nur die Millionendemonstration am Sonntag nach dem Anschlag in Paris, sondern an dem ersten Tag, wenn sie sich erinnern, wo die Täter noch nicht gefasst waren und man noch nicht wusste, ob sie noch in der Stadt sind, sind Zehntausende auf die Straße gegangen und haben gesagt: Wir sind hier!

 

 

 


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