Donnerstag, den 16. Januar 2014 12:13 Alter: 6 Jahr(e)

Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

Kategorie: Dresdener Land und Umgebung, Radeburg und Umgebung

VON: KR

Wenn die Einwohner von Bärnsdorf oder Berbisdorf nächtens Wolfsgeheul vernehmen, so stammt das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Wildgehege. Und selbst wenn nicht, wäre das nichts, wovor ein Mensch erschaudern müsste. Durch Heulen kommunizieren Wölfe untereinander. Wenn die Wölfe im Wildgehege heulen, könnte es also durchaus sein, dass ein fremder Wolf in der Nähe ist – muss es aber nicht. Wölfe heulen auch aus für Menschen unerfindlichen Gründen – und das macht vielen Angst.

Der Wolf ist in der Heide wieder heimisch geworden. Foto: Malene Thyssen
Der Wolf ist in der Heide wieder heimisch geworden. Foto: Malene Thyssen

Derzeit leben in der Oberlausitz 15 Wolfsfamilien oder -paare, das zu uns nächstliegende in der Königsbrücker Heide. Da ein Revier bis zu 350 km² groß sein kann, das Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide aber nur 75 km² groß ist, ist eine Begegnung mit dem Wolf auch außerhalb des Schutzgebietes möglich. Die Laußnitzer und die Kienheide könnten noch zum Revier gehören – der Friedewald jedoch eher nicht.

Selbst innerhalb des Reviers ist eine Begegnung mit dem Wolf sehr unwahrscheinlich, da Wölfe nachtaktiv sind und Menschen nachts eher nicht im Wald unterwegs sind. Bleibt noch die Möglichkeit einer Begegnung mit einem „Wanderwolf“. Nachkommen der letzten zwei Jahre. Die meisten Jungwölfe wandern im Alter von ein bis zwei Jahren aus ihrem elterlichen Rudel ab, um ein eigenes Revier zu finden. Auch hier gilt, dass er vorrangig nachts unterwegs ist. Pro Nacht kann er bis zu 20 km zurücklegen und dann auch an mehr oder weniger zufälligen Orten Beute machen.

Am 19. August 2012 bin ich einem Wolf begegnet. Bei ca. 40°C schnürte ich auf meinem Rennrad Richtung Nauleis und er schnürte in Richtung Döbritzschen. Im Abstand von ca. 2 Metern passierten wir einander. Ich habe ihn gefragt, ob er zur Großmutter unterwegs ist. Mehr Mut hatte ich nicht. Ich hatte weder den Mut, die Handykamera zu zücken noch eine andere Bewegung zu machen, die auf mich aufmerksam gemacht hätte. Er schnürte einfach nur. Bin ich mir sicher, dass es ein Wolf war? Natürlich nicht. Die Unterscheidung zwischen einem Wolf und zum Beispiel einem tschechischen Wolfshund ist selbst für Fachleute schwierig. Dagegen spricht die Tageszeit und die extreme Hitze. Dagegen spricht die geringe Wahrscheinlichkeit. Dafür sprechen das ausdauernde Schnüren, dieses lockere, gleichmäßige Traben im „Wandermodus“, die gelben Augen, die helle, eher lange, spitze Schnauze, der schmale, im Vergleich zum Schäferhund eher hochbeinige Körperbau, die aufrechten Ohren und der eher waagerechte Rücken. Angst? Also ja, ein bisschen schon. Man ist eben auch „geprägt“ - und das nicht nur von Grimms Märchen.

50 Tausend Jahre alte Höhlenmalereien beweisen, die gemeinsame Geschichte von Wolf und Mensch war Anfangs durchaus positiv, bereits vor 15.000 Jahren wurden die ersten Wölfe vom Menschen aufgezogen und die Geschichte der großen Freundschaft Mensch-Hund nahm ihren Anfang. Erst durch die Viehhaltung änderte sich die Einstellung des Menschen zum Wolf – übrigens nicht umgekehrt. Weder ich als Radfahrer noch Rotkäppchen zu Fuß gehören ins Beuteschema des Wolfes. Die so genannten Nutztiere waren auch über Jahrhunderte für den Wolf uninteressant. Erst mit dem Beginn der offenen Viehhaltung und der Waldweide im ausgehenden Mittelalter, bei der das Vieh vollkommen ungeschützt zur Buchecker- und Eichelmast in den Wald getrieben wurde, nahmen die Nutztierverluste zu. Der gleichzeitige Rückgang der Wals- und damit wildbestände führten zu dieser Verhaltensveränderung der Wölfe. Die Einstellung der Bevölkerung wurde zunehmend von Angst geprägt. Eine organisierte Bekämpfung des Wolfes setzte infolge dessen ab dem 15. Jahrhundert ein. Im 16. und 17. Jahrhundert erreichte die Wolfsjagd ihren Höhepunkt. Die Wolfsdenkmale, die von seiner Ausrottung zeugen, sprechen davon. Nun ist er also wieder da und trifft erneut auf die seit 500 Jahren praktizierte offene Viehhaltung – mit den entsprechenden Folgen.

2013 gingen 33 Meldungen von Nutztierschäden im Freistaat Sachsen ein, in 21 Fällen konnte der Wolf als Verursacher festgestellt bzw. nicht ausgeschlossen werden. Bei diesen 21 Fällen wurden insgesamt 50 Nutztiere getötet bzw. vermisst und sechs weitere verletzt. In 13 der 21 Fällen waren die Tiere nicht oder unzureichend geschützt. In acht Fällen wurde Schadensausgleich gezahlt. Voraussetzung für einen finanziellen Ausgleich im Schadensfall ist die Einhaltung eines entsprechenden Mindestschutzes durch den Tierhalter. Und welche Informationen gibt es zu Angriffen von Wölfen auf Menschen?

Zur realistischen Einschätzung des Gefährdungspotenzials wurde im Jahr 2002 im Auftrag des Norwegischen Institutes für Naturforschung (NINA) eine Studie erstellt, in die umfassende Literatur und das Wissen über Wolfsangriffe aus Europa, Asien und Nordamerika aus den letzten Jahrhunderten eingeflossen sind. In den letzten 50 Jahren sind demzufolge in Europa 5 Fälle von tödlichen Angriffen auf Menschen durch Wölfe bekannt geworden. In allen Fällen hatten die Wölfe Tollwut. Die Tollwut spielt heute bei uns keine Rolle mehr, da Sachsen seit 2004 tollwutfrei – ganz Deutschland seit 2010. Wölfe, die über einen längeren Zeitraum an Menschen gewöhnt wurden, z.B. durch Anfüttern, können aufdringliches und dreistes Verhalten entwickeln, was für den Menschen gefährlich werden kann. 2012 wurde in Schweden eine Tierpflegerin durch Wölfe im Tiergehege getötet.

„Bei massiver Provokation bzw. "in die Enge treiben" von Wölfen, kann eine gefährliche Situation entstehen. Wölfe gehen dem Menschen normalerweise aus dem Weg. Indem man bei einer Begegnung mit einem Wolf respektvollen Abstand hält, kann man die Gefahr einer ungewollten Provokation vermeiden. … Unerfahrene Jungwölfe sind manchmal weniger scheu, eher neugierig-naiv, zu einem aggressiven Verhalten gegenüber dem Menschen kam es aber noch nie. Bisher ist im Lausitzer Wolfsgebiet kein Fall von gefährlichem Verhalten von Wölfen gegenüber Menschen bekannt,“ heißt es auf der Internetseite des Kontaktbüros "Wolfsregion Lausitz".

Tierhalter kennen inzwischen die Anforderungen zum Schutz ihrer Tiere und niemand kann ihnen absprechen, dass ihre Tiere genauso schützenswert sind wie der Wolf. Eine sinnvolle Diskussion soll und muss geführt werden. In unserer Region ist die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Meißen, unter 03522 303-2341 bzw. 03522 303-2342 oder per E- Mail umweltamt@kreis-meissen.de, sowie Herr Klingenberger vom Staatsbetrieb Sachsenforst zuständig. Letzterer ist unter der Telefonnummer 0172/3757602 oder per Mail über andre.klingenberger@smul.sachsen.de zu erreichen. Hinweise auf Wölfe (Spuren, Kot, Sichtungen, Risse) können Sie auch an das Kontaktbüro „Wolfsregion Lausitz“ (Tel. 035772/ 46762, kontaktbuero@wolfsregion-lausitz.de) melden.


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