Montag, den 02. Juni 2014 16:38 Alter: 6 Jahr(e)

Radeburg, Moritzburg, Ebersbach, Kreis Meißen, Europa - eine Wahlanalyse

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: KR

Die Wahlbeteiligung hat im gesamten Freistaat gegenüber den letzten Kommunal- und Europawahlen 2009 leicht zugenommen, ebenso der Trend im Landkreis und in den meisten Kommunen. Im Landkreis und ebenso zwischen Thiendorf und Moritzburg liegt die Wahlbeteiligung nun wieder knapp über 50%. Vielleicht ist das noch keine Trendwende, aber ein weiterer Rückzug der Bürger aus der demokratischen Beteiligung scheint erst einmal gestoppt.

Die Gründe nicht wählen zu gehen, mögen sehr verschieden sein. Es bleibt jedoch weiter ein bedrohlicher Fakt für die Demokratie, wenn jeder zweite den Parlamenten seine persönliche Legitimation nicht gibt. In anderen Ländern sind deutsche Kommentatoren immer sehr schnell mit dem Urteil zur Hand: „Nur jeder zweite ging wählen,“ was dann heißen soll: die Wahlen sind nicht demokratisch. Für Deutschland sieht man solche Gefahren aber nicht.

In unseren Gemeinden gibt es nur wenige Veränderungen in den Sitzverteilungen der Parlamente. Auf die wenigen Veränderungen die es aber gibt, lohnt sich dennoch ein Blick und der zweite Blick verrät, dass es doch einige Überraschungen gegeben hat.

Radeburg: CDU baut Mehrheit aus, braucht aber von den anderen noch eine Stimme

Nachdem in Radeburg bei den Bürgermeisterwahlen die CDU-Kandidatin nicht zum Zuge kam, hatten einige Akteure erwartet, dass die CDU auch bei den Stadtratswahlen Federn lassen müsste. Das trat nicht ein. Die CDU konnte sogar um über 6% zulegen. Bei den Wahlen zum Stadtrat konnte die CDU damit die Stimmen des bürgerlichen Lagers sichern und hat nun 9 Stimmen, genauso viele wie die anderen Listen zusammen. Die ULR erreicht trotz Stimmenverlusten mit erneut 4 Sitzen auch noch Fraktionsstärke.

Die Zusammensetzung des Radeburger Stadtrats bleibt politisch unverändert. Die CDU zieht aufgrund des de Hondt'schen Wahlverfahrens das Mandat von der FDP ab. Obwohl FDP-Bewerber Tobias Schmidt mit 253 mehr Stimmen hat als gleich vier künftige Stadträte mit CDU-Mandat, reicht die Gesamtstimmenzahl der Gelben nicht mehr für einen Sitz. Tragisch für eine Partei, die nach der Wende die Stadt maßgeblich mit geprägt hat.

In den Stadtrat geschafft haben es auch einige neue. Erstmals dabei ist auf dem CDU-Ticket Uwe Drabe (212 Stimmen). Marcus Mambk (291) und André Schmiedgen (189) für die ULR und Dr. Petra Voigt (162) für DIE LINKE sind ebenfalls neu dabei.

Um einen Sitz verpasst die CDU die absolute Mehrheit, muss sich also auch weiterhin um Konsens bemühen, braucht mindestens eine Stimme von denen, die ihnen im künftigen Stadtrat gegenüber sitzen – oder die von Bürgermeisterin Michaela Ritter.

Noch einige Fakten: 

  • Die Zahl der Wahlberechtigten sank um 331, trotzdem blieb die Zahl der Wähler (+6) und gültigen Stimmen (-2) fast gleich blieb
  • Die CDU konnte 571 Stimmen hinzugewinnen, was 6,7% entspricht, DIE LINKE 45 (0,6%). Alle anderen hatten Verluste hinzunehmen, darunter auch die ULR, die 322 Wähler verlor.
  • Unterm Strich bleibt aber fast alles beim Alten. Lediglich der FDP fällt mit dem Bundestrend unter die „5%-Hürde“, die zwar hier nicht so heißt, aber bei 18 zu vergebenden Sitzen wären sogar 5,6% für einen Sitz notwendig gewesen.

Statistik:

Moritzburg: Ausscheiden des Forums unabhängiger Wähler überrascht 

Auch in Moritzburg in Moritzburg gibt es „stabile Größen“. Die CDU und die Linke behalten ihre Sitze, die Wählervereinigung „rotieren“ untereinander. Die FDP verliert zwei Sitze „zugunsten“ der SPD. Letzteres überrascht – nicht wirklich.

Nachdem der SPD im vorigen Jahr der Coup gelang, den Bürgermeister zu stellen, ist die Partei im Ort deutlich präsenter. Der FDP erging es ähnlich wie in Radeburg. Auch hier geht die Partei, die die Wendezeit maßgeblich mit geprägt hat und wie in Radeburg den ersten frei gewählten Bürgermeister stellte, langsam unter. Immerhin hat es Altbürgermeister Andreas Timmler wieder in den Gemeinderat geschafft.

Zu den Überraschungen zählt, dass langjährig verdiente Gemeinderäte wie Jürgen Huth und Otmar Schwalbe (beide CDU) es ebenso wenig in den Gemeinderat schafften wie der rührige Ralf Helbig vom Forum Unabhängiger Wähler (FuW). Letzterer wird, ähnlich wie Tobias Schmidt in Radeburg, Opfer des d'Hondtschen Wahlverfahrens. In Moritzburg haben sogar gleich 12 künftige Gemeinderäte weniger Stimmen als er.

Das FuW hat keinen Sitz mehr, war einst vor allem mit dem Vorhaben angetreten, Ungerechtigkeiten der Gebühren- und Beitragsordnungen für Wasser, Abwasser und Straßenausbau zu beseitigen. Die FuW hatte geschafft, das Thema über Jahre auf der Tagesordnung zu halten, aber letztlich wart eine Abwehr von Gebühren und Abgaben in vom Wähler erwarteten Umfang wohl nicht zu erreichen gewesen.

Mit über 10 % der Stimmen schafften es die Freien Wähler nach einer Wahlperiode Abstinenz auf Anhieb wieder in den Gemeinderat. Die Reichenbacher Hubert Rosin und Kai Miersch erhalten die Sitze. 

Statistik:

Ebersbach: CDU baut absolute Mehrheit aus, FDP  gegen den Trend

Ebersbach hatte schon 2009 eine überdurchschnittliche Wahlbeteiligung (57%), konnte das aber mit rund 63% in diesem Jahr noch mal toppen. Einer der Gründe mag die Auseinandersetzung um das Thema Windkraft gewesen sein. Wenn das für manche Wähler entscheidend war, so hat die CDU die Auseinandersetzung gewonnen und erneut mit der absoluten Mehrheit einen klaren Auftrag. Obwohl es 250 Wahlberechtigte weniger gab, konnte die CDU 150 Wähler mehr aktivieren als bei der letzten Wahl. Aber auch die FDP gewann – nämlich erstmals einen Sitz und sie mobilisierte sogar rund 250 Wähler mehr.

Die FDP trat in Ebersbach stellvertretend für die Bürgerinitiative Gegenwind an und plakatierte die Windkraftablehnung in der ganzen Gemeinde mit dem FDP-Label.

Ein Bisschen wundert einen das schon, weil die besagte FDP in der Bundespolitik die Energiewende als Regierungs-Koalitionspartner maßgeblich mit betrieben und die Ursachen für jene Auseinandersetzungen gesetzt hat, die die Kommunen jetzt in Sachen Windkraft auszubaden haben.

Spitzenkandidatin dieser Liste ist seit vielen Jahren FDP-Mitglied Heidrun Tennert. Doch bisher hatte es nie gereicht. Mit dem Rückenwind durch die Initiative Gegenwind schaffte sie es diesmal. Nimmt man an, dass alle FDP-Wähler Windkraft-Gegner sind, (das wird nicht so sein, gleichwohl wird es auch unter den Wählern der anderen solche geben) dann wären die erreichten 8,3% eher ein Zeichen, dass das Thema nur (noch) wenige umtreibt. Gleichwohl ist eine solche Zahl für FDP-Verhältnisse ein „Traumergebnis“.

Außer Heidrun Tennert sind auch Thomas Endesfelder und Sandro Schumann neu in den Gemeinderat gewählt worden. Zwei junge Leute, die sich in der Gemeinde schon seit Jahren engagieren – Thomas Endesfelder im Jugendklub und Sandro Schumann bei der Freiwilligen Feuerwehr. 

Ansonsten enthielt das von den Ebersbachern abgegebene Votum eine klare „Weiter-so-Botschaft“, denn 15 der 18 Gemeinderäte sind wieder gewählt worden.

Statistik:

Tauscha: CDU fehlt nur ein Kreuz für 2. Mandat.

Beim Wahlergebnis wird de Hondt'sche Rechenkunst augenfällig: 311 Stimmen reichen für die CDU mal wieder zum Einzug eines Bewerbers in den Gemeinderat, aber die Wählervereinigung Würschnitz schafft es mit einem Kreuz mehr, zwei Kandidaten im  Gemeinderat unterzubringen. Anders ausgedrückt: hätte die CDU nur einen Wähler mehr mobilisieren können... So knapp kann es in einer kleinen Gemeinde zugehen. Aber ausgerechnet Tauscha ist die einzige der Gemeinden in unserem Einzugsgebiet, wo die Wahlbeteiligung rückläufig ist.

Statistik:

Landkreis: Radeburg wählt sich ab, Moritzburg stark

Der Zuschnitt des Wahlkreises 8 (Thiendorf-Tauscha-Radeburg-Moritzburg) brachte Einiges an Überraschungen – so unter anderem die Stadt Radeburg ins Hintertreffen. Dem  „Bananenwahlkreis“ Moritzburg – Radeburg – Tauscha – Thiendorf  fiel nicht nur Thiendorfs Bürgermeister Armin Freund (CDU) zum Opfer. In Schönfeld kannte man ihn, nicht aber in Moritzburg.

Während die Moritzburger wohl wussten, wen sie wählen müssen um ihre Kommune vertreten zu sehen – immerhin sind sie nun mit drei Abgeordneten gut vertreten – sind Tauscha und Thiendorf zu klein, wenn sie ihre Stimmen nicht genügend bündeln. Auch die Radeburger wählen wohl lieber andere als die „eigenen“ Kandidaten. 

Besondere Überraschung: während bei den letzten Wahlen Andreas Hübler und Christfried Herklotz  mit CDU-Mandat noch den Sprung ins Parlament schafften, reichte ihr Stimmanteil zwar, um das Wahlergebnis der Freien Wähler zu verbessern, aber nicht, um bei ihnen einen Platz zu ergattern. Aber auch die aktuellen Radeburger Vertreter auf der CDU-Liste konnten anscheinend nicht überzeugend genug rüberbringen, künftig Radeburger Interessen in Meißen zu vertreten. Die SPD verzichtete, nachdem Michael Ufert nicht mehr antrat, gänzlich auf Radeburger Kandidaten. Einzig Rüdiger Stannek (LINKE) vertritt nun künftig Radeburg im Kreistag. Er schaffte es auf Anhieb, hatte er doch bisher nicht für den Kreistag kandidiert.  

Das politische Ergebnis ist, dass im Landkreis alle etablierten Parteien ein paar Stimmen verlieren – zugunsten der Freien Wähler, der Piraten und der AfD. Wobei letztere vor allem profitiert. Mit 8% ist sie auf Augenhöhe mit der Volkspartei SPD (9,2%).

Statistik:

Europawahl zeigt, wie wir politisch ticken

… also zumindest, wie jener Teil tickt, der gewählt hat. 

Eine mit ihrer Politik auf Bundesebene nach links gerückte CDU hat rechts von der Mitte nun anscheinend genügend Platz geschaffen für eine neue konservative Kraft – könnte man meinen.

„Der Sachse“ bleibt konservativ und neigt nicht zum Protest. Die CDU (34,5%)  und DIE LINKE (18,3%) geben ein paar Stimmen an die SPD (15,6%) ab. Da bleibt es im Wesentlichen beim alten. Was die AfD gewinnt, nämlich 10,1%, kommt vor allem von der FDP, die 7,2% verliert, und von zahlreichen „Splitterparteien“ (minus 5,7%). Die AfD ist also etwa zur Hälfte Ersatz für eine ausgebrannte FDP und zur Hälfte Protestpartei.

Aber auch die NPD ist zu beachten, die erstmals bei einer Europawahl antritt und ihr Wählerpotential abruft – 3,6%.

Die Veränderungen gegenüber 2009 bewegen sich im Landkreis Meißen, in Radeburg, Moritzburg  und in Tauscha im Wesentlichen genau so: Etablierte, außer FDP, die selbst in Ebersbach einbricht, fast unverändert, AfD hier sogar 12% (Kreis) 11% (Radeburg und Moritzburg) 13% (Ebersbach) bzw. 15% (Tauscha). AfD und NPD holen ihre Stimmen jeweils von der FDP und den „Sonstigen“ bzw. überwiegend von den „Sonstigen“. Einzige Abweichung: In Moritzburg gewinnt die „Bügermeisterpartei“ SPD mit  7% deutlich hinzu. Da zeigt sich das wirken einer agilen Ortsgruppe, während die Sozialdemokraten im sonstigen ländlichen Raum Sachsens und des Landkreises kaum in Erscheinung treten. 


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