Montag, den 14. September 2015 09:54 Alter: 4 Jahr(e)

Asyl in Radeburg: Turnhallen werden nicht in Betracht gezogen

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: KLAUS KROEMKE

Der Asylstrom wird an Radeburg nicht auf Dauer vorbeiziehen, darüber ist sich auch der Stadtrat im Klaren. Gerüchten und Sorgen begegnet man am besten durch Information. Was machen die derzeit bereits dezentral untergebrachten Asylbewerber? Wird das Kidnerkurheim Volkersdorf eine Erstaufnahmeeinrichtung? Wo werden Neuankömmlinge untergebracht?

Am Oberen Waldtteich befinden sich die Objekte des Kinderkurheimes - im Bild links neben der Wochenendsiedlung
Am Oberen Waldtteich befinden sich die Objekte des Kinderkurheimes - im Bild links neben der Wochenendsiedlung

In der 13. Beratung des Stadtrates der Stadt Radeburg am Donnerstag, dem 10. September kam Bürgermeisterin Michaela Ritter auch auf das Thema Asyl zu sprechen. „Derzeit sind 23 Asylbewerber, 9 Erwachsene und 14 Kinder, in Radeburg gemeldet und dezentral in vier Wohnungen untergebracht. Unter den Kindern ist ein Baby, das hier geboren wurde. Die anderen Kinder gehen in Großenhain zur Schule. Auf Nachfrage von RAZ, warum die Schüler denn nicht in Radeburger Schulen gehen, erklärte Bürgermeisterin Michaela Ritter, dass sie in so genannten DaZ-Klassen unterrichtet werden. DaZ heißt „Deutsch als Zweitsprache”. In diesen Klassen kann durch speziell ausgebildete Lehrer auf deren Belange eingegangen werden. Unter den Schülern sind so genannte „doppelte Analphabeten”, die auch die Schrift ihrer Muttersprache nicht beherrschen. Man kann einen 13, 14 Jahre alten Schüler dann nicht in eine „normale” erste Klasse geben, damit er Lesen und Schreiben lernt. Für die Erwachsenen ist Beschäftigung der beste Weg zur Integration. Deshalb, so informierte die Bürgermeisterin den Stadtrat, seien zwei Asylbewerber in 1-Euro-Jobs beim Bauhof untergebracht worden. Einer arbeitete zum Beispiel bei der Errichtung des Buswartehäuschens in Bärnsdorf mit. Ein weiterer, der immer wieder durch seine Hilfsbereitschaft aufgefallen ist, bekam eine Anstellung bei der Radeburger Wohnungsgesellschaft und unterstützt jetzt die Hausmeister. Wer Asylbewerbern Beschäftigung geben möchte, hat es nach der aktuellen Gesetzeslage nicht leicht, es ist aber möglich. Wer entsprechende Stellen anbieten möchte, kann sich an das zuständige Arbeitsamt wenden. Auch die Stadtverwaltung wird gegebenenfalls helfen, dass es klappt. Oft ist strittig, ob aufgrund des 8,50-€-Mindestlohnes eine öffentlich geförderte Beschäftigung mit Mehraufwands-Entschädigung (MAE-Job) mit einem Entgelt von 1 €/Stunde überhaupt zulässig ist. RAZ fragte deshalb noch einmal bei Michaela Ritter nach, weil es bereits Fälle gegeben hat, dass sich Asylbewerber juristisch hatten beraten lassen und dann auf 8,50 Euro bestanden. „Ein Job mit MAE ist eine Beschäftigung, die die Asylbewerber zur Erlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit nutzen sollten. Damit können sie an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden, können die Gepflogenheiten lernen und sich mit der Sprache vertraut machen. Natürlich können wir keinen dazu zwingen.”

Flüchtlingsfamilie „verschwunden”

Kurz angesprochen wurde auch, dass eine der Familien „verschwunden” sei. Stadtrat Uwe Berge, als Installateur natürlich immer mal wieder im Neubau vor Ort, wusste von Nachbarn, dass sie nach Karlsruhe umgezogen sind. Dass da was nicht stimmt, wusste auch Frau Funke, denn von der Ausländerbehörde wurde sie bereits gefragt, ob sie noch einen Schlüssel hätte. Hatte sie natürlich nicht. Bei über 600 Wohnungen kann man sich das denken - und es wäre wohl auch rechtlich nicht einwandfrei. Den Schlüssel, so wissen wir dank Stadtrat Uwe Berge und durch Nachfragen bei den Nachbarn inzwischen, wurde von den Abreisenden in den Briefkasten geworfen, nachdem sie ein Fahrrad und ihre in Säcken verstauten Siebensachen in einen Kleinbus unterbrachten, der einen Anhänger mit Karlsruher Kennzeichen hatte. Dann sind sie auf und davon. Wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen. Die Gepflogenheit, dass man sich beim Vermieter abmeldet und auch den Wohnsitz ummeldet, konnte ihnen offensichtlich noch nicht vermittelt werden. „Offiziell sind die Personen nach wie vor bei uns gemeldet,”sagte die Bürgermeisterin auf Nachfrage von RAZ. „Weder Ausländerbehörde noch die betreuende Diakonie konnten Auskunft geben, ob es sich anders verhält.” Das ist zwar nur ein kleines Beispiel, aber der Informationsfluss zwischen den Behörden ist nach wie vor völlig unbefriedigend.

Kinderkurheim und Radeburger Hof als Erstaufnahme vom Tisch

Weder zum Radeburger Hof noch zum Kinderkurheim in Volkersdorf bekam man eine Auskunft von offizieller Stelle. Während inzwischen bekannt ist, dass die Hamburger Eigentümer des Radeburger Hofes kein Interesse an einer Umnutzung als Erstaufnahmeeinrichtung haben, ist das Thema Kinderkurheim erst seit dieser Woche endgültig vom Tisch. Dazu hat Michaela Ritter eine offizielle Mitteilung durch die für die Erstaufnahme zuständige Landesdirektion erhalten. Auf Nachfrage erklärte sie: „Dass die Einrichtung geprüft wurde, habe ich überhaupt nur dadurch erfahren, dass ein Planungsbüro Unterlagen von dem Objekt bei uns angefragt hat. Aber dann wollte uns keiner was sagen. Es ist so mühselig!” Von den Stadträten forderte die Bürgermeisterin mehr Mitwirkung ein. „Wir sind als Stadt zur Mitwirkung bei der Unterbringung von Asylbewerbern per Gesetz verpflichtet. Schauen Sie nicht immer bloß nach unten, wenn es um dieses Thema geht!” Christian Damme (CDU), ihr Stellvertreter, erklärte daraufhin: „Ich sage ausdrücklich, dass wir Stadträte in dieser Frage alle hinter Ihnen stehen. Darauf können Sie sich verlassen!” Michaela Ritter erklärte: „Es ist zwar die Aufgabe des Landkreises, die zugewiesenen Asylbewerber unterzubringen, aber wir haben die Mitwirkungspflicht. Wir müssen geeignete Objekte finden, und zwar so bald wie möglich. Nicht erst, wenn die Asylbewerber vor der Tür stehen.”

Bürgermeisterin: Einwohnerversammlung, sobald wir Genaues wissen

Zwar nicht für die Erstaufnahme, aber für die weitere Unterbringung durch den Landkreis ist dann das Kinderkurheim doch wieder ein Thema, denn der Kreis erwartet jetzt statt der bisher angekündigten 1200 Asylbewerber 2500. In der Kreistagssitzung am 24. September klagte der Beigeordnete Ulrich Zimmermann: „Wir werden regelrecht erschlagen und stoßen an die Grenze des Zumutbaren.“ Der Weisungshierarchie folgend reichte Zimmermann nun sechs potentielle Asylunterkünfte zum Beschluss ein. Mit 34 : 19 Stimmen wurden die Vorschläge vom Kreistag bestätigt. Darunter sind geplante Gemeinschaftsunterkünfte in Lommatzsch, Klipphausen, Moritzburg und eben das ehemalige Kinderkurheim in Volkersdorf. Ehe letztere genutzt werden kann, dürfte jedoch noch einiges an Zeit vergehen, denn die Anlage ist so stark sanierungsbedürftig, dass sie eigentlich abgerissen werden sollte. Zudem muss der Landkreis mit dem Eigentümer, der Stadt Dresden, die Überlassung verhandeln. Die Stadt Radeburg ist in den Prozess bisher nicht involviert. Bürgermeisterin Michaela Ritter kritisierte das bereits mehrfach. Optimal ist das Objekt ohnehin nicht, da auch die Infrastruktur schlecht ist. 1 km bis zur nächsten Bushaltestelle, 3 km bis zum Globus-Baumarkt, 4 km bis zu Lidl Klotzsche, 5 km bis zum nächsten Arzt. 10 km bis zu den Zentren von Dresden, Moritzburg und Radeburg. Nur Global Foundries stünde mit seiner Infrastruktur in fußläufiger Entfernung zur Verfügung. Da es immer wieder einschlägige Gerüchte gibt und um den Schulkindern und Freizeitsportlern Sicherheit zu geben, erklärt sie auf Nachfrage von RAZ: „Turnhallen werden von uns nicht in Betracht gezogen.” Und sie ergänzt: „Wenn etwas spruchreif ist, werden wir eine Einwohnerversammlung machen, und zwar so zeitig wie möglich.” Sorgen und Ängste werden in Radeburg ernst genommen und niemand wird in irgend eine Ecke gestellt.


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